Schönheitskur für den Innenraum: Beflockung
Wer kennt es nicht – hier ein Loch vom alten Handyhalter, dort die Reste von alten Aufklebern. Viele Verkleidungsteile in Fahrzeugen lassen sich nur mit hohem Aufwand restaurieren und wieder ansehnlich gestalten - und Profi-Arbeit ist teuer. Aber es gibt Alternativen - Beflocken zum Beispiel! Ein Testbericht.
Der Frühling und somit die neue Bulli-Saison stehen vor der Tür. In vielen Werkstätten und Garagen werden die Busse wieder fit gemacht, sofern Sie nicht ohnehin den Winter ertragen müssen und auf den Straßen unterwegs sind.
Wer kennt es nicht – hier ein Loch vom alten Handyhalter, dort die Reste von alten Aufklebern und die Schalter für die zusätzliche blaue Beleuchtung in der Türverkleidung sind auch schon wieder einer neuen Idee gewichen.
Viele Verkleidungsteile in Fahrzeugen lassen sich nur mit hohem Aufwand restaurieren und wieder ansehnlich gestalten, wenn Sie nicht gleich vollständig ausgetauscht werden. Leder und Autostoffe sind hier meist die erste Wahl, mit denen Armaturenbretter und Türverkleidungen bezogen und somit die Gebrauchsspuren der vergangenen Jahre beseitigt werden. Nur die Wenigstens können und wollen das zufriedenstellend in der heimischen Garage selbst erledigen. Professionelle Sattlerarbeit ist hingegen nicht immer die günstigste Variante. Es gibt jedoch Alternativen! Bei dem Wort Beflockung fällt einem als erstes wahrscheinlich der T-Shirt- oder Trikotdruck ein. Beflocken lässt sich allerdings viel mehr, als nur ein Stück Stoff.
Schon vor mehr als 3000 Jahren begannen die Chinesen mittels Leim und Naturfasern Dinge des alltäglichen Lebens zu verschönern. Die Technik ist also nicht neu und findet in der heutigen Autoindustrie reichlich Anwendung. Ob Kofferraumauskleidungen oder Handschuhfächer – in neueren Autos sind viele Ausstattungsteile beflockt. Dass dieses Verfahren aber auch für die Restaurierung von gebrauchten Gegenständen verwendet werden kann, ist komischerweise den wenigsten Autoliebhabern bekannt. VW-Bulli.de wollte es genauer wissen und hat sich auf dem Markt umgesehen. Mittels einer älteren Kunststoff-Mittelkonsole für einen VW-T4 haben wir uns auf die Suche gemacht und sind im Landkreis Bamberg bei der Firma Schuster fündig geworden.
Unsere Mittelkonsole hat in ihrem Autoleben bereits einiges mitgemacht. Die angesprochenen Bohr- und Schraublöcher für alte Handy- und Getränkehalterungen sind ebenso im harten Kunststoff vorhanden wie alte Klebereste von zigfachen Versuchen, die unförmige Konsole in ein ansehnliches Stoffkleid zu bringen. Die professionelle Aufarbeitung mittels einer Lederbespannung ist aufgrund der hohen Kosten und auch der Schwierigkeit, an Rundungen, Öffnungen und der eingebauten Schiebeklappe eine annähernd akzeptable Qualität zu erhalten, keine gute Variante. Für Roberto Schuster und sein Team hingegen ist das kein Problem, denn Flock wird ähnlich einer Farbe aufgesprüht und schafft so eine gleichmäßige, angenehme Oberfläche, egal wie unförmig sich der Gegenstand darstellt.
„Im Prinzip lassen sich alle Materialien und Oberflächen beflocken“, so Schuster, „es dürfen jedoch keinerlei Silikone enthalten sein und ein Anwendungstest des Klebstoffes muss ebenfalls vorab durchgeführt werden, aber ansonsten gibt es kaum Einschränkungen.“ Die Vielfalt der Anwendungen reicht von beflockten Blumenvasen, Möbeln und Lockenwicklern bis hin zu Brillenetuis und eben auch diversen Auto- und Wohnmobilteilen.
Die einheitliche schwarz-gräuliche Flockfarbe in heutigen Neuwagen oder auch an Lautsprechergehäusen ist dabei natürlich nicht die einzige gestalterische Möglichkeit. Auch ausgefallene Farben sind heutzutage lieferbar, so dass der Oberflächengestaltung kaum Grenzen gesetzt sind. Durch verschiedenartige Flockfasern und verschiedene Techniken sind auch unterschiedlich weiche oder harte Oberflächen möglich. Wer die Beflockung seiner relativ kratzigen und groben Beschichtung seiner Kofferraumverkleidung kennt, dem sei gesagt, dass es auch wesentlich feiner und weicher geht.
Nach Absprache mit der Firma Schuster senden wir unsere Konsole einigermaßen gut vorbereit nach Bayern. Die alten Klebereste des vorherigen Stoffes sind soweit möglich herunter geschliffen, nutzlose Bohrlöcher verspachtelt und überflüssige Teile abgebaut. Eine endgültige Prüfung der Oberfläche erfolgt durch die Experten vor Ort.
Da jede Vertiefung oder Fehlstelle auch nach dem Beflocken sichtbar wäre, muss die Vorbereitung gründlich und sorgsam erfolgen. Einer ersten Reinigung mittels Lösungsmittel folgt die Aufhängung in einer provisorischen Halterung.
Die Auftragung des Klebstoffes, in dem die Flockfasern später halten sollen, ist der nächstfolgende Schritt. Hierbei wird eine Schichtdicke von zwei Zehnteln der Faserlänge aufgetragen, bei 1 mm Faserlänge also 0,2 mm. „Eine Herausforderung für den gelernten Lackierer“ weiß Roberto Schuster, „denn eigentlich sind sie es gewohnt, dünne Schichten aufzutragen“.
Nicht minder kompliziert ist der Hauptschritt: das eigentliche Beflocken. Mittels Düse, korrekt Elektro-Pneumatische-Flockeinheit genannt, werden die elektrisch bis zu 45.000 Volt aufgeladenen Flockfasern in die Klebeschicht geschossen. Durch die Aufladung richten sie sich gleichmäßig aus und treffen kontrolliert in das Klebebett. Auch hier ist Erfahrung wichtig, denn jeder Winkel des Gegenstandes muss gleichmäßig getroffen werden.
Zum Abschluss wird mit Druckluft die Oberfläche abgeblasen. Der Zeitpunkt unmittelbar nach dem Beflocken ist hier wichtig, denn stellt man beim Abpusten fehlerhafte Stellen fest, so ist ein Abwaschen noch möglich. Ist der Kleber erst mal getrocknet, ist das nur schwer machbar.
Der Staubsauger bringt nach Ende der Trocknung das Finish und der Gegenstand erstrahlt in neuem Glanz, in unserem Fall die betagte Mittelkonsole aus einem VW T4 in einem der Innenausstattung angepasstem hellen Grauton. Nichts ist mehr zu sehen von den Strapazen des bisherigen Gebrauchs, sieht man einmal von der Rückseite ab, die wir bei der Bearbeitung außen vor gelassen haben. Nach dem Einbau in den Bus sind die unbeflockten Flächen ohnehin nicht mehr sichtbar.
Eine Pflegeanleitung stellt Roberto Schuster auf seiner reichlich gefüllten Internetseite, auf der auch sämtliche Informationen rund um das Thema Beflockung inklusive einer Anleitung für eine Selbstbeflockung und eine umfangreiche Bildergalerie zu finden sind, zur Verfügung.
Flecken lassen sich leicht mit einem feuchten Tuch abtupfen und auch Abdrücke können mittels Bürste oder Dampfreiniger wieder entfernt werden.
Die Kosten sind übersichtlich. Für eine Konsole wie wir sie in unserem Test verwendet haben, sind je nach Zustand zwischen 100 und 150 Euro, für ein komplettes Armaturenbrett von 250 bis zu 400 Euro einzuplanen. Die Kosten variieren natürlich stark, da der Aufwand in der Einzelbearbeitung sehr unterschiedlich sein kann. Gegenüber einer Aufbereitung durch einen Sattler mit teurem Leder kann hier jedoch sicher viel gespart werden. Mittels Fotos und einer Materialbeschreibung lassen sich vorab die meisten Unklarheiten beseitigen und auch schon ein Preisrahmen abstecken.
Letztendlich fällt eine Beflockung wie fast alles auch unter das Thema Geschmackssache. Wer jedoch eine vernünftige, kostengünstige Variante sucht, Teile seines Busses aufzubereiten und sich nicht für Leder oder andere Stoffe entscheiden kann, sollte sich unserer Ansicht nach auch mit Flock auseinandersetzen. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt hier und qualitativ können wir bislang keine Nachteile feststellen.
Wer seine frisch restaurierten Autoteile dann zuhause seiner Liebsten erklären muss, findet bei Firma Schuster im Online-Geschenke-Shop Vivarido sogar reichlich beflockte Argumentationshilfen.
In jedem Fall sind Roberto Schuster und sein Team von der Firma Schuster Beflockungstechnik GmbH & CO.KG neben weiteren Anbietern, die richtigen Ansprechpartner für eine individuelle Gestaltung von verschiedensten Dingen mittels Flocktechnik.
Von VW-Bulli.de erhält diese Methode der Teileaufbereitung ein klares „Daumen-hoch“.