Caravaning-Branche: "Campen um jeden Preis"
Hohe Preise und lange Wartezeiten bei hoher Inflation prägen das Neuwagenangebot bei Campern und Wohnmobilen. Das schreckt die Käufer aber anscheinend nicht ab.
Nach dem Caravan-Salon in Düsseldorf blicken die Hersteller mit Freude auf ihre Auftragsbücher. Mit rund 235.000 Camping-Freunden erreichte der Besuchandrang der Messe zwar nicht die Rekordzahlen vor der Corona-Pandemie, als gut 270.000 Caravaning-Fans kamen, aber mit 16 Hallen und 736 Ausstellern aus 34 Ländern setzte die Leitmesse in Düsseldorf erneut eine Bestmarke. Erfreulich sei vor allem die große Zahl von Neueinsteigern sowie jungen Familien, die ihr Interesse am Caravaning entdeckt hätten und sich in der Ausstellung einen Überblick über das riesige Angebot machen oder die in die engere Wahl gezogenen Fahrzeuge näher betrachten wollten, heißt es.
Dabei lautet das Motto wohl „Campen um jeden Preis“, denn die Kosten für ein Neufahrzeug haben sich in den vergangenen vier Jahren um gut 30 Prozent erhöht. Grund dafür sind vor allem die Preiserhöhungen der Lieferanten von Basisfahrzeugen, der bisherige Marktführer Ducato von Fiat wird zum Jahreswechsel schlanke 5000 Euro teurer. Und das gilt auch für das Zubehör. Eine Vier-Meter-Markise gab es 2018 noch für knapp 1000 Euro, heute werden für sie 1300 Euro fällig. Ähnlich ist die Entwicklung bei einer abnehmbaren Anhängerkupplung, einer TV-Satelliten-Anlage und bei Komfort-Extras wie Warmwasserheizung oder Klimaanlage.
Dazu kommen die Turbulenzen in den Lieferketten. Da Fiat das Kontigent an Ducato für die Reisemobilbranche deutlich reduziert hat, suchen die Hersteller nach anderen Basisfahrzeugen, um der großen Nachfrage Herr zu werden. Nie zuvor gab es eine solche Vielzahl an den rollenden Untersätzen, der Ford Transit gehört eindeutig zu den Gewinnern dieser Entwicklung, auch der Mercedes Sprinter wird trotz seines hohen Preises immer häufiger eingesetzt und sogar der VW Transporter 6.1 geht nach langer Pause wieder als teilintegriertes Reisemobil von Knaus an den Start.
„Der diesjährige Caravan-Salon war gekennzeichnet von großem Interesse am Produkt, schlechter Lieferfähigkeit und hoher Unsicherheit über die Zukunft. Die Menschen lieben die mobile Freizeit und wollen, trotz deutlich gestiegener Preise, Fahrzeuge kaufen. Das Kaufinteresse war deutlich höher als erwartet. Dass die Verkäufe auf dieser Messe allgemein rückläufig waren, liegt an fehlenden Basisfahrzeugen für Reisemobile, vor allem vom Marktführer Fiat“, sagt Holger Siebert, Geschäftsführer bei Eura Mobil und Trigano Deutschland. Dennoch gilt: Wer auf ein individuell konfiguriertes Reisemobil Wert legt, muss mit mindestens sechs Monaten Lieferzeit rechnen. Dies, und die deutlich gestiegenen Zinsen für eine Finanzierung, scheinen der Kauflust jedoch nicht im Wege zu stehen.
Einmal mehr standen ausgebaute Kastenwagen besonders hoch in der Gunst der Interessenten. Auch die Campervans, die meist ohne Waschraum daherkommen und auf Transportern wie dem VW T 6.1, Opel Vivaro Merceds-Benz Vito basieren, sind außergewöhnlich beliebt. Sie bieten den Vorteil hoher Alltagstauglichkeit passen bisweilen sogar in Tiefgaragen und werden gerne als Zweitfahrzeug mit Campingoption genutzt. Auf Rang drei landen erneut die teilintegrierten Mobile, die nur das Chassis und das Fahrerhaus des Basisfahrzeugs nutzen, auf das die Hersteller dann einen Sonderaufbau mit umfangreichem Komfort setzen. Die integrierten Liner schlagen sich ebenfalls wacker, sie liegen auf Platz drei der Statistik und nutzen nur den Windlauf, also Motor und Lenkrad sowie das Fahrwerk der Basis, der geräumige Aufbau wird von Hymer, Knaus oder Carthago in eigener Regie gefertigt. Etwa abgeschlagen treten die Alkovenmobile mit ihrer Schlafstube über dem Fahrerhaus auf. Sie werden wegen ihrer großen Zahl an Schlafplätzen gerne im Vermietgeschäft eingesetzt, aber auch Familien mit reichlichem Nachwuchs entscheiden sich gerne für diese Aufbauform.
Ein deutlich erkennbarer Trend zeigt die Nachfrage nach allradgetrieben Mobilen. Hymer nimmt den Sprinter für den teilintegrierten Vantage S, der mit viel innovativer Technik aber auch zu einem Preis von 225.000 Euro für Aufmerksamkeit sorgt. La Strada nutzt das gleiche Basisfahrzeug für den Abenteuercamper Nova M, auch Frankia und die schwedische Marke Kabe setzen auf diese Kombination. Etwas günstiger gibt es das bei Karmann Mobil, wo der Ford Transit 4x4 auf für schmalere Geldbeutel viel Traktion bietet. Neue Ideen stellt ebenso Knaus im Wohnwagenbau vor. Der Rahmen des neuen Azur wird erstmals von Industrie-Robotern zusammengebaut und soll eventuelle Kratzer durch einen besonderen Lack bei Wärmeeinwirkung von alleine ausbessern.
Die Verkäufe auf dem Salon konnten nicht an die Spitzenergebnisse in den Nicht-Pandemie-Jahren anknüpfen, aber: „Angesichts der wirtschaftlichen Gesamtlage in Deutschland sind wir mit gebremsten Erwartungen zum Caravan-Salon gereist. Das große Interesse der Kunden hat uns positiv überrascht. Wir haben ein respektables Verkaufsergebnis erzielt und sind sehr zufrieden“, sagt Marco Lange, Geschäftsführer bei La Strada. Ob die Nachfrage so bleibt, ist angesichts der Belastung privater Haushalte durch höhere Energiekosten und natürlich auch wegen der immensen Treibstoffpreise nicht gesichert. „Immerhin“, so sagt ein Salon-Besucher, „ich habe in Slowenien Urlaub gemacht und da Diesel für 1,60 Euro getankt“. Auch eine Lösung, solange in Deutschland die europaweit höchsten Spritpreise aufgerufen werden.
Der 62. Caravan Salon findet in Düsseldorf vom 26. August bis 3. September 2023 statt.