Zurück

Datensammeln im Fahrzeug: Big Brother im Auto

Wer in einem modernen Auto unterwegs ist, weiß vermutlich nicht, welche Menge an Daten erfasst und gespeichert werden. Das Computer-Magazin „c't“ warnt vor Missbrauch.

 ©Goslar Institut

Dass Internetkonzerne und soziale Netzwerke teilweise unkontrolliert Daten ihrer Nutzer sammeln und verknüpfen, daran hat man sich schon fast gewöhnt. Aber auch moderne Autos erfassen und speichern sensible Werte, die ein umfassendes Bild von den Fahrzeuginsassen, ihrem Verhalten sowie deren Umfeld erlauben. Darauf hat jetzt das Computer-Magazin „c't“ hingewiesen und warnt vor dem Missbrauch dieser Daten.

Die Hersteller der Autos argumentieren mit dem Optimierungsbedarf ihrer Fahrzeuge und sind deshalb an den Daten interessiert. Doch auch Versicherungsunternehmen, Werkstätten und Kartenanbieter zeigen Appetit auf die erhobenen Werte. Und Ermittlungsbehörden möchten ebenfalls auf die Speicher von Automobilen zugreifen können, wenn es zum Beispiel zur Aufklärung von Straftaten um Bewegungsdaten oder die im Fahrzeug befindlichen Personen geht.

Oft wissen die Halter und Nutzer von Pkw nicht einmal, welche Fülle an Fakten in die internen Speicher des Autos fließt. Schon bei der Annäherung an das Auto mit dem Funkschlüssel des Keyless-Go-Systems beginnt das Sammeln von Bits und Bytes. Nicht erst Kamerasysteme, die auf den Menschen am Steuer gerichtet sind, vermitteln ein individuelles Bild von der nutzenden Person, sondern bereits die Sitz-, Spiegel- und Lenkradpositionen, die bekanntlich im Falle von elektrischen Sitzen teilweise einzelnen Nutzern zugeordnet werden können. Hinzu kommt der Datenaustausch, wenn ein Smartphone mit dem Infotainment des Wagens gekoppelt wird. Weitere Parameter, die Insassen unterscheidbar machen, sind die Bewegungsdaten während der Fahrt, die eingegebenen Navigationsziele und auch die Sprachkommandos.

Die Fachleute von „c't“ beschreiben in ihrer Erhebung die Datenverarbeitung im Fahrzeug und wagen außerdem einen Blick in die Zukunft, die von noch stärkerer Vernetzung und noch größerem Datenfluss geprägt sein werde. Sie weisen gleichzeitig auf die höheren Anforderungen an den Datenschutz hin, dem ihrer Ansicht nach gegenwärtig nicht immer ausreichend Rechnung getragen wird. Die rechtlichen Aspekte der Datensammelei im Auto werden hinterfragt. Außerdem haben die Rechercheure bei großen Autoherstellern per Auskunftsersuchen in Erfahrung gebracht, welche personenbezogenen Daten in deren Fahrzeugen erhoben und gespeichert werden.

Dabei stellte sich heraus, dass präzises Datenspeichern kein Phänomen der jüngeren Zeit ist. Mithilfe eines simplen Experiments wurde nachgewiesen, dass bereits vor mehr als 15 Jahren, mutmaßlich ohne Wissen und Einwilligung des Autobesitzers, personenbezogene Details in einem Massenspeicher abgelegt wurden. Aus einem bei Ebay erworbenen Autoradio konnte der im Jahr 2005 aktivierte Speicher ohne größeren Aufwand ausgelesen werden. Das Ergebnis: Nicht nur die Navigations- und Kommunikationsdaten des Vorbesitzers ließen sich extrahieren, sondern auch ein sekundengenaues Streckenprotokoll auf einer französischen Überlandverbindung.

Dass moderne Fahrzeuge Unmengen von Daten sammeln, soll zunächst einmal der Sicherheit dienen. In den aktuellen Pkw erfassen eine Unmenge von Sensoren, Kameras, Radar- und Ultraschall-Systemen die nähere Umgebung des Fahrzeugs sowie das Geschehen in der Kabine. Auf diese Weise entsteht das digitale Abbild einer jeden Fahrt, entsprechende Steuergeräte führen die Werte zusammen und analysieren sie, um beispielsweise selbstständig eine Notbremsung einzuleiten oder das Halten der Fahrspur zu gewährleisten. Den Steuergeräten der Airbags kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Sie können im Regelfall die letzten Sekunden vor einem Unfall dokumentieren, in dem zum Beispiel Einschlagwinkel des Lenkrads, Beschleunigungswerte, Position des Gas- und Bremspedals und andere Parameter festgehalten werden. In den USA ist der so genannte „Event Data Recorder“ bereits gesetzlich vorgeschrieben. Zur Jahresmitte 2022 wird er auch in der EU für jede neu auf den Markt kommende Fahrzeugbaureihe Pflicht, zwei Jahre später müssen alle neu für den Verkehr zugelassenen Auto solch ein Aufzeichnungsgerät haben.

Die Experten von „c't“ weisen darauf hin, dass bereits 2018 bekannt wurde, wie auch hierzulande einige Hersteller Airbagdaten dauerhaft speichern. Deshalb kann es für Autobesitzer wichtig sein, von ihren Auskunfts- und Widerspruchsrechten zu wissen. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gibt zwar einen groben Rahmen für den Umgang mit den erfassten Werten, weil sie in der Regel personenbezogen sind, im Einzelfall kann der Halter allerdings von Hersteller seines Fahrzeugs Auskunft darüber verlangen, welche Daten erfasst und gespeichert werden. Auch eine nachträgliche Löschung ist möglich.

Ob das Datensammeln zum Nutzen oder zum Schaden des Halters oder des Menschen am Lenkrad ausgeht, hängt letztlich auch von der betroffenen Person selbst ab. In Berlin wurde zum Beispiel der Fall eines Rasers aktenkundig, der mit 160 km/h durch die Stadt gefahren war. Er hatte eine Ampel gerammt und anschließend Fahrerflucht begangen, doch offenbar übersehen, dass sein Tesla automatisch diverse Fahrdaten erhebt und speichert. Die gerichtlich beim Hersteller angeforderten Aufzeichnungen erwiesen schließlich seine Verantwortung und überführten den Täter. Ein Jahr Führerscheinentzug und eine saftige Geldstrafe waren die Folge.

Wer sich an die Verkehrsregeln hält und defensiv fährt, kann dagegen bei einigen Versicherern schon heute Geld sparen. Sie bieten so genannte Telematik-Tarife an, bei denen in einer Art Black Box aufgezeichnet wird, ob Tempobeschränkungen eingehalten werden, Fahrstil und Fahrverhalten Risiken im Verkehr vermeiden. Der Versicherte muss der Übertragung vorher zugestimmt haben. Die Idee dahinter: Wer hektische Lenk- und Bremsmanöver vermeidet, wird seltener in Unfälle verwickelt, hat also ein geringeres Schadensrisiko und wird deshalb mit einem Rabatt bei der Versicherungsprämie belohnt.

aum/afb