Infotainment: Warnung vor gefährlicher Ablenkung
Was im Auto heutzutage an Infotainment und Assistenten steckt, ist beeindruckend. Aber: Dieses (Über-)Angebot birgt auch große Gefahren.
Als Verkaufsargumente werden sie immer wichtiger – die Infotainment-Angebote in Autos. Immer größere Displays drängen sich in den Cockpits unserer Fahrzeuge in den Blick des Fahrers. Die Syteme können längst mehr als nur den Fahrer und zu informieren und zu unterhalten. Unter dem Stichwort Vernetzung holen sie immer mehr aus der Umwelt ins Fahrzeuginnere – zum Beispiel das Büro. Einst sollten sie vor Gefahren warnen, jetzt stehen sie in der Gefahr, selbst zu einem Risiko.
Moderne Autos sind High Tech-Geräte voller Elektronik. Dementsprechend hat sich auch ihre Bedienung verändert: War früher in der Regel einer Funktion ein Schalter zugeordnet, ging der Trend der Moderne zu Multifunktions-Bedienelementen bzw. zur Steuerung per Display. Vorbei die Zeiten, als Fahrzeugentwickler daran gemessen wurden, ob sie die verschiedenen Bedienschalter gut erreichbar um den Fahrer gruppiert hatten. ´Die Zahl der Schalter nahm zugunsten der Bedienung über das Display ab.
Das Schalten wurde ersetzt durch Zahleneingaben, Suche nach der richtigen Ebene der Software-Menüs, Tippen, Streichen und Gesten, letztlich auch durch Sprechen. Alles Handlungen, die den intuitiven Griff nach dem Schalter ersetzen, dessen Lage einstudiert war, den jeder erreichen konnte, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen oder die eigene Konzentrationsfähigkeit auf die Bedienung umzulenken. Sicherheitsexperten kritisieren die großen zentralen Bildschirme deswegen als riskant. Die Beschäftigung mit ihnen kann ebenso fatale Folgen haben wie die Benutzung eines Mobiltelefons am Steuer und Letzteres ist ja nicht ohne Grund verboten.
So weisen denn auch die Technischen Überwachungsorganisationen warnend darauf hin, dass bereits Telefonate per Freisprecheinrichtung so stark ablenken können, dass selbst erfahrene Fahrzeuglenker nicht mehr angemessen auf unfallträchtige Situationen reagieren können. Das damit verbundene Risiko macht etwa der TÜV Süd an folgendem Beispiel deutlich: Blickt ein Fahrer, der im Stadtverkehr mit 50 km/h unterwegs ist, bei einer Stauwarnung fünf Sekunden auf sein Navi, um eine passende Ausweichroute zu suchen, legt er immerhin 70 Meter vergleichsweise unkontrolliert zurück. Wer dann in einen Unfall verwickelt werde, trägt unabhängig vom Unfallhergang eine Teilschuld und riskiert, dass seine Versicherung nicht für den Schaden aufkomme, warnt die Sachverständigenorganisation.
Um genauer zu untersuchen, in wieweit das Suchen und Finden von Funktionen in Digital-Menüs und Unter-Menüs gefährlich lange Ablenkung zur Folge hat, führte der ADAC gemeinsam mit Wissenschaftlern der Hochschule Augsburg jüngst Tests mit sechs verschiedenen Fahrzeugen durch. Dabei mussten 24 Probanden jeweils zwei Fahrzeuge, mit denen die Testpersonen zuvor nicht vertraut waren, nach einer kurzen Eingewöhnungsphase über einen Parcours auf einem Testgelände steuern und während der Fahrt bei einer konstanten Geschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h verschiedene Bedienfunktionen ausführen. Laut ADAC waren das alltägliche, häufig gebrauchte oder sicherheitsrelevante Bedienaufgaben, wie etwa das Einschalten des Abblendlichts, das Wählen der Innenraumtemperatur oder das Eingeben eines Navigationsziels.
Nach Auswertung der Testergebnisse fanden die Experten zum Teil erhebliche Unterschiede bei den Bedienzeiten. Diese reichten von ein bis zwei Sekunden, in denen ein Proband in einem Fahrzeugmodell die geforderten Aufgaben erledigte, bis zu sechs oder acht Sekunden in anderen Autos. Die Zeitspanne, in der der Fahrer in den letztgenannten Fällen vom Verkehr abgelenkt ist und in der er oder sie wenig bis fast nichts vom Geschehen wahrnimmt, erscheint den Verkehrssicherheitsfachleuten immens hoch – und somit auch die hieraus resultierende Unfallgefahr.
Doch die Tester warnen nicht nur, sie geben auf der Basis ihrer Testergebnisse auch Tipps für eine aus ihrer Sicht möglichst optimale Gestaltung von Bedienelementen im Cockpit. Danach muss das oberste Ziel in einer intuitiven Bedienbarkeit mit geringem Ablenkungspotenzial bestehen, die es dem Fahrer ermöglicht, den Funktionsumfang seines Fahrzeugs auszuschöpfen, ohne dabei zum Sicherheitsrisiko für sich und andere Verkehrsteilnehmer zu werden. Konkret empfehlen die Tester, für häufig genutzte Fahrzeugfunktionen, wie etwa Sitzheizung, Temperatureinstellung sowie für sicherheitsrelevante Funktionen, wie etwa Scheibenwischer und Fahrlicht, separate Tasten für eine ablenkungsarme Bedienung zu einzubauen.
Zudem soll eine weitgehend standardisierte Bedienung elementarer Funktionen sicherstellen, dass auch Nutzer, die mit dem Fahrzeug nicht oder wenig vertraut sind, diese jederzeit sicher bedienen können. Etwa indem der Warnblinker mittig auf dem Armaturenbrett positioniert oder der Scheibenwischer vom rechten Lenkstockhebel aus bedient wird. Bei den Infotainmentfunktionen – wie Medien, Navigation, Kommunikation – halten die ADAC-Tester den Touchscreen für das Eingabemedium mit deutlich geringeren Ablenkungszeiten verglichen mit Controllern mit Dreh-Drück-Steller bzw. Touchpad. Denn Touchflächen könnten auf direktem Weg per Finger angesteuert werden, begründen die Experten ihr Votum.