Zurück

Interview mit Hymer-Chef: "Starke Nachfrage bei kompakten Fahrzeugen"

Alexander Leopold, Chef der Erwin-Hymer-Group, spricht im Interview über die Trends im Reisemobilmarkt. Dazu gehört der Elektroantrieb und die veränderten Käufergruppen und -wünsche.

Vereinbarten die Lieferung von 6000 Crafter Kastenwagen: Hymer-Chef Alexander Leopold und VWN-Vetriebs- und Marketingvorstand Lars Krause (rechts).

 ©Volkswagen

Der Caravaning-Markt feierte über Jahre immer wieder Rekordabsätze. Jetzt bremsen hohe Preise und gestiegene Zinsen die Nachfrage, dennoch zeigen sich die Hersteller sehr zuversichtlich. Mit Alexander Leopold, Vorstandsvorsitzender der Erwin-Hymer- Group, sprach Michael Kirchberger.

Wie zufrieden sind Sie mit den Zulassungen 2023, und wie ist die Erwin Hymer Group in das neue Jahr gestartet?

Die mittelfristigen Aussichten für unsere Branche sind weiterhin gut, allerdings gilt es einige Herausforderungen zu bewältigen. Auch wenn der Caravaning-Markt in Europa in einzelnen Teilsegmenten leichte Rückgänge bei den Zulassungen verzeichnet, ist das Interesse am Caravaning ungebrochen hoch. 2023 wurden in Europa insgesamt 210.000 Reisemobile und Caravans neu zugelassen. Das entspricht in etwa dem Vor-Corona- Niveau. Das zurückliegende Jahr war stark von Versorgungsengpässen und Preisanstiegen bei Fahrgestellen und Zulieferteilen geprägt. Unserer Gruppe ist es in einer bemerkenswerten Teamleistung gelungen, unser Portfolio an Chassis-Lieferanten zu erweitern und unsere Lieferfähigkeit sicherzustellen. Für 2024 sehen wir uns bestens aufgestellt. Die hohe Qualität unserer Fahrzeuge und Services ist für viele unserer Kunden das entscheidende Kaufkriterium.

Es heißt, dass der Absatz eher bei Marken nachgegeben hat, die im Einsteigersegment oder der unteren Mittelklasse unterwegs sind. Der Premium-Markt ist davon nicht betroffen?

Das können wir nicht bestätigen. Auch nach dem Hoch der Corona Jahre gelingt es uns, neue gesellschaftliche Schichten und Zielgruppen für unsere Angebote zu begeistern. Zuwachs stellen wir vor allem im Camper-Van- und Urban-Camper-Bereich fest. Etwas Druck spüren wir im Caravan-Segment. Für die nächsten Jahre haben wir uns als Gruppe ehrgeizige Wachstumsziele gesetzt. Mit unseren starken Marken und einem 360-Grad- Angebot für unsere Kunden, von der Vermietung über den Kauf bis hin zum Service, sehen wir uns bestens aufgestellt, um unsere Marktanteile weiter auszubauen. Vor allem unsere Einsteiger-Marken konzentrieren sich dabei zunehmend auf digitale Vertriebswege. Der verstärkte Einsatz von Digitalmarketing ermöglicht es uns, Neuheiten und Produktvorstellungen zeitlich flexibler zu platzieren. Wir erzielen dadurch größere Reichweiten und einen höheren Wirkungsgrad.

Rechnen Sie mit einer erneuten Belebung, wenn die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in Ruhestand gehen?

Wir freuen uns, dass wir mit unseren Produkten alle Altersklassen erreichen, von jungen Familien, über Paare bis hin zu Kunden, die ihren Ruhestand in unseren Fahrzeugen genießen möchten. Außerdem erreichen wir immer jüngere Zielgruppen, die sich zunehmend für kompakte Fahrzeuge interessieren, die alle Mobilitätsbedürfnisse, vom Alltagsgebrauch bis zum Camping, abdecken.

Mit welchen Modellen ist aktuell Wachstum zu erreichen, und welche Neuheiten können wir in diesem Jahr noch erwarten?

Eine starke Nachfrage verzeichnen wir vor allem bei kompakten Fahrzeugen, im Camper- Van- und Urban-Camper-Bereich. Um unsere ehrgeizigen Wachstumsziele zu erreichen, werden unsere Marken in den nächsten 24 Monaten viele spannende Neuheiten vorstellen. Die nächsten Produktgenerationen setzen Maßstäbe in Design und Funktion, im Raumerlebnis und der digitalen Vernetzung. Gleichzeitig arbeiten unsere Marken an Konzepten, die den Einstieg in unsere Reiseform auch in Zukunft für jeden erschwinglich machen.

Antriebsalternativen zum Verbrenner stehen in der 3,5-Tonnen-Klasse und schon gar nicht darüber zur Verfügung. Wann könnte sich das ändern?

Die geringeren Energiedichte von E-Antrieben gegenüber konventionellen Treibstoffen und das aktuelle Gewichtslimit von 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht für den Pkw- Führerschein bremst uns aus: Emissionsfreie Reisemobile sind innerhalb dieser Grenze bisher nur mit Nischenprodukten realisierbar. Auch deshalb fordern wir eine Anhebung der Führerschein-Gewichtsgrenze für Reisemobile von 3,5 auf 4,25 Tonnen. Für gewerblich genutzte Transporter gibt es diese Ausnahme bereits, und da können elektrisch angetriebene Fahrzeuge große Zuwachsraten verbuchen. Kürzlich hat auch das Europäische Parlament einer Anhebung auf 4,25 Tonnen zugestimmt. Damit könnte die neue Richtlinie 2025 verabschiedet und ab 2028 umgesetzt werden.

Reisemobile haben meist ein sehr langes Leben. Wenn es sich dann doch dem Ende zuneigt, wie recyclingfähig sind Freizeitfahrzeuge?

Als Branche profitieren wir von einer intakten Natur. Daher intensivieren wir unsere Anstrengungen, diese zu schützen. Hier ist noch viel Weg zu gehen, aber wir kommen voran. Unsere Nachhaltigkeitsziele sind fest in unserer Unternehmensstrategie verankert. Nachdem wir in den letzten Jahren den Schwerpunkt auf die klimaneutrale Fertigung an allen Standorten gelegt haben, konzentrieren wir uns jetzt auf die Lebenszyklusphasen unserer Produkte. Im Bereich der Recyclingfähigkeit arbeiten wir eng mit unseren Lieferanten zusammen, die uns z.B. mit Chassis und Materialien beliefern. Im Bereich der Schaumstoffe arbeiten wir intensiv mit strategischen Partnern an umweltfreundlichen Alternativen. Für unsere Aufbauten setzen wir zunehmend recyclingfähige und nachhaltige Materialien ein, z.B. Naturmaterialien wie Bambus, Filz und Leinen oder Bezüge aus recycelten PET-Flaschen. Entscheidend ist die kontinuierliche Verbesserung mit jeder neuen Produktgeneration.

Michael Kirchberger cen