Mehrheit gegen Verbrenner-Aus, Vorbehalte gegen E-Autos
Das Auto bleibt das wichtigste Verkehrsmittel, umgestaltete Innenstädte finden Zustimmung, Maßnahmen gegen das Auto werden abgelehnt. Das sind wichtige Ergebnisse der TÜV Mobility Studie 2024.
Mit einem Anteil von 58 Prozent hält eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger die Aufteilung des Verkehrsraumes in Deutschland für ungerecht. Das ist eines der Ergebnisse der „TÜV Mobility Studie 2024“. Bei deren Vorstellung nannte Dr. Michael Fübi, der Präsident des TÜV-Verbands, die Neugestaltung des Verkehrsraumes „die Kernaufgabe für eine nachhaltige und sichere Mobilität.“ Mobilität sei dann gerecht, wenn unterschiedliche Verkehrsteilnehmer gleichermaßen sicher und schnell ans Ziel kommen, sagte Fübi.
Der TÜV-Präsident forderte: „Wir brauchen eine Infrastruktur, die den öffentlichen Personenverkehr und Zweiradverkehr stärkt und die schwächeren Verkehrsteilnehmer ernst nimmt.“ Im Straßenverkehr gefährdet oder sehr gefährdet sind aus Sicht der Befragten vor allem Radfahrende (88 Prozent) und E-Scooter-Fahrer (87 Prozent). Auch motorisierte Zweiradfahrer (82 Prozent) und Fußgänger (77 Prozent) seien großen Gefahren ausgesetzt.
Laut der Studie sind zwei von drei Bundesbürger der Meinung, dass aufgrund der Klimabelastung ein grundsätzliches Umdenken im Bereich der Mobilität notwendig ist (69 Prozent). Die Befragten wünschen sich den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (90 Prozent), eine bessere Infrastruktur für den Zweiradverkehr (88 Prozent) oder verkehrsberuhigte Stadtviertel. Eine deutliche Mehrheit befürwortet auch Maßnahmen wie eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (62 Prozent), eine stärkere Förderung der E-Mobilität (61 Prozent) oder ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen (61 Prozent).
Keine Mehrheiten finden dagegen Maßnahmen, die den Autoverkehr verdrängen oder so verteuern, dass es sich kaum noch jemand leisten kann, in die Stadt zu fahren. Dazu gehören die Einrichtung von Umweltzonen, in denen keine Verbrenner mehr fahren dürfen (52 Prozent Ablehnung), zusätzliche kostenpflichtige öffentliche Parkzonen (54 Prozent) oder die Einführung einer City-Maut in Großstädten, die 56 Prozent ablehnen.
Das Auto bleibt das Verkehrsmittel Nummer eins. An einem Werktag nutzen gut zwei von drei Befragten (68 Prozent) das Auto – ähnlich wie vor zwei und vor vier Jahren. Etwas weniger als die Hälfte geht zu Fuß (43 Prozent). Fast jeder Dritte ist werktäglich mit dem Fahrrad unterwegs (32 Prozent) und/oder nutzt den öffentlichen Nahverkehr (30 Prozent), immerhin jeder zehnte Regionalbahnen (10 Prozent). E-Scooter haben sich auf niedrigem Niveau etabliert (3 Prozent).
Die Dominanz des Autos zeigt sich auch in der TÜV-Studie: Vier von fünf Befragten (80 Prozent) geben an, ein eigenes Auto zu besitzen, 58 Prozent ein herkömmliches Fahrrad und 20 Prozent ein Elektrorad. Sieben Prozent besitzen ein Motorrad und fünf Prozent einen Motorroller bzw. ein Moped. Fünf Prozent besitzen einen E-Scooter und zwei Prozent ein Lastenfahrrad.
Vorbehalte gegen Elektromobilität setzen sich fest
51 Prozent der Befragten halten es für unwahrscheinlich, dass sie als nächstes Fahrzeug ein Elektroauto kaufen werden. Nur gut jeder Vierte zieht das ernsthaft in Erwägung. Im Vergleich zur Erhebung vor zwei Jahren hat sich daran kaum etwas geändert. Als Hemmnisse nennen die Befragten zu hohe Anschaffungskosten (54 Prozent) und zu geringe Reichweiten von E-Autos (51 Prozent) in Kombination mit einer unzureichenden Ladeinfrastruktur (43 Prozent). 44 Prozent halten es für fraglich, ob E-Autos umweltfreundlicher sind als Verbrenner.
Die Studie benennt auch eine wachsende Hürde für das Elektroauto: Ein hoher Anteil von 40 Prozent hat weniger Vertrauen in die Sicherheit von E-Autos. In dieser Gruppe befürchten viele, dass es zu Problemen mit der Batterie kommen könnte (80 Prozent) und dass es bei Unfällen mit Elektroautos ein höheres Brandrisiko gibt (68 Prozent). Fübi: „Aus technischer Sicht sind Elektroautos nicht mehr oder weniger gefährlich als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.“ Nach Ansicht des TÜV-Verbands ist es notwendig, die Batteriegesundheit im Blick zu behalten. 62 Prozent der Befragten würden einer unabhängigen Prüforganisation wie dem TÜV oder der Dekra vertrauen, die Leistungsfähigkeit der Hochvoltbatterie korrekt auszuweisen.
Fübis Fazit: „Die Elektromobilität hat es in Deutschland nicht leicht: Neben den hohen Anschaffungskosten sind Reichweitenangst sowie Umwelt- und Sicherheitsbedenken immer noch weit verbreitet“. Elektroautos seien mindestens so sicher wie Verbrenner, ihre Klimavorteile wissenschaftlich belegt und die Reichweiten steigen stetig. „Daher sollten wir diesen Weg konsequent weitergehen und die Ladeinfrastruktur ausbauen. Gerade in Städten sind öffentliche Ladepunkte immer noch Mangelware.“
Regulierung muss mit Digitalisierung Schritt halten
Die Elektrifizierung kann aus Sicht des TÜV-Verbands aber nur einer der Bausteine moderner Mobilität sein. Notwendig sei ein Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs, mehr Wege und Abstellflächen für Zweiräder und zusätzliche Maßnahmen für die Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer. „Wir plädieren dafür, die im November im Bundesrat gescheiterte Reform des Straßenverkehrsrechts wieder auf die Agenda zu setzen“, sagte Fübi. Die Kommunen bräuchten mehr Entscheidungsfreiheit bei der Gestaltung des Verkehrs vor Ort.
Die eigene Rolle sieht der Verband bei der Digitalisierung der Fahrzeugtechnik. So sollte die Wirkung von Assistenzsystemen in Zukunft bei der Hauptuntersuchung besser geprüft werden. Dafür fehle es an gesetzlichen Grundlagen, stellt Fübi fest. „Die Prüforganisationen brauchen für ihre Kontrollen Zugang zu den sicherheitsrelevanten Daten eines Fahrzeugs“, fordert Fübi. Außerdem plädiert er für einen Ausbau der Verkehrserziehung von Kindern und Jugendlichen. „Unser Verkehrssystem wird immer komplexer, die Durchfallquoten bei den Führerscheinprüfungen steigen und mit der Cannabis-Legalisierung kommt eine neue Herausforderung auf uns zu.“