Neue Schilder statt Brücken
Wieder ein Stückchen Wildwuchs im Schilderwald – der Wildtierkorridor ist im Kommen. Entlang der Bundesstraße 31 zwischen Donaueschingen und Titisee-Neustadt stehen seit kurzem neue Verkehrszeichen. Sie kombinieren das bekannte Zeichen 142 – ein springender Hirsch - mit der Zusatztafel „Wildtierkorridor“. Bald soll auch in anderen Landesteilen auf diese Weise deutlich gemacht werden, wo ganze Herden unterschiedlicher Wildarten wandern können.
Das Projekt geht zurück auf eine Studie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg aus 2003. Darin kommen die Wissenschaftler zu der Erkenntnis, dass viele Wildtiere zu wenige Lebensräume haben, um langfristig überleben zu können. Aus dem Konflikt zwischen der ursprünglichen Landschaft und der immer intensiveren Bebauung und Besiedlung entspringen immer mehr Wildunfälle. Diese beeinträchtigen nicht nur die Verkehrssicherheit an bestimmten Straßenabschnitten, sondern verursachen auch erhebliche volkswirtschaftliche Schäden verursachen. In Baden-Württemberg ereignen sich- so die Studie - jährlich etwa 20.000 Kollisionen mit großen und mittelgroßen Säugern, bundesweit mehr als das zehnfache. Den deutschen Autoversicherern wurden im Jahr 2014 bundesweit täglich durchschnittlich 650 Wildunfälle gemeldet, davon allein 238 000 mit Rehen, Wildschweinen und anderem Wild. Gesamtschaden 575 Millionen Euro. Interessant: Die Zahl der Wildkollisionen geht seit zwei Jahren zurück, aber die Schadensumme wird deutlich höher.
Europaweit gibt es ähnliche Forschungsvorhaben. Vor allem in der Schweiz und in Österreich sind bereits technische Veränderungen realisiert. Sogenannten „Querungshilfen“, also Brücken über viel befahrene Straßen, die nur von Tieren benutzt werden können, sollen diese Ziele unterstützen. In Süddeutschland unterquert man Wildbrücken beispielsweise auf der B 31 (neu) zwischen Überlingen und Friedrichshafen. Das östlich dieser viel befahrenen Straße entlang des Bodensees gelegene Deggenhauser Tal ist ein solches Wanderungs- und Rückzugsgebiet. Vor allem nachts sind das richtige Schleichwege für Füchse, Wildschweine und sogar Hirsche. Gleich zwei Wildbrücken gibt es auf den rund 15 Kilometern zwischen Radolfzell und Allensbach auf dem Weg nach Konstanz.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat nun in einem Erlass das Einvernehmen zur Verwendung des Zusatzzeichens erteilt. Diese „zeitlich befristete Maßnahme gilt bis zur Realisierung einer baulichen Querungshilfe (Wildtiertunnel, Grünbrücke), teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage unserer Redaktion mit. „In Baden-Württemberg wird es wahrscheinlich nur wenige Anwendungsfälle geben“.
Für die Verkehrsteilnehmer bleiben offene Fragen, die uns das Ministerium jedenfalls nicht konkret beantworten wollte. Bedeutet das Wort Korridor eine längere Strecke als Wildwechsel und wenn ja, wie lange gilt dieser Korridor? Die Antwort: „Sofern im Einzelfall die Notwendigkeit besteht, auf eine längere Strecke mit Wildwechsel hinzuweisen, kann die Streckenlänge mit dem Zusatzzeichen 1001-30 oder 1001-31 angegeben werden“. Üblicherweise werde auch beim Zeichen 142 keine Länge und kein Ende angegeben, da insbesondere im Verlauf von Straßen im Wald und im Übergangsbereich von Wald und Feld immer mit Wildwechsel zu rechnen sei.
Einmal mehr haben Bürokraten sich vor konkreten Hinweisen gedrückt und die Verantwortung nicht übernommen. Im Gegenteil: Das neue Zeichen Wildtierkorridor wird, wenn es denn zum Unfall kommt, noch nachteiliger für den Autofahrer ausgelegt werden können - zumal sich viele unter diesem neuen Begriff noch nichts vorstellen können. Weshalb wir uns auch dieses Themas angenommen haben.