Nie mehr allein fahren - Assistenzsysteme werden Pflicht
Mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, werden bestimmte Fahrerassistenzsysteme in der EU zur Pflicht. Bis das in der Breite in der Praxis ankommt, dauert es aber noch etwas.
Seit dem 6. Juli 2022 verpflichtet die Europäische Union ihre Mitgliedsstaaten, in neuen Fahrzeugen für bestimmte Fahr-Assistenzsysteme zu sorgen. Mit dieser Vorgabe will die EU-Kommission die Verkehrssicherheit in der Union erhöhen. Die Brüsseler Behörde hofft, mit Hilfe der vorgeschriebenen Fahr-Assistenzsysteme auf Europas Straßen im Zeitraum bis 2038 rund 25.000 Verkehrstote und mindestens 140.000 Schwerverletzte vermeiden zu können.
Doch so schnell wird sich das alles nicht umsetzen lassen. Denn seit dem 6. Juli gilt die Vorgabe nur für Fahrzeuge, die jetzt ihre erste Typzulassung ablegen müssen. Wer früher anmeldete oder den Behörden statt einer Neukonstruktion nur ein weiterentwickeltes Modell präsentiert, muss diese Modelle erst ab 2024 ausstatten. Dabei zieht auch eine neue Qualität von Assis ein. Ging es bisher um mehr Komfort oder um Unterstützung in schwierigen Situationen, so schauen einige der neuen System dem Fahrer auf die Finger, klopfen aber noch nicht drauf.
Ab 2022 müssen in allen Neufahrzeugen an Bord sein:
- Geschwindigkeitsassistent
- Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner
- Notbremsassistent
- Notbremslicht
- Notfall-Spurhalteassistent
- Reifendrucküberwachung
- Rückfahrassistent
- Unfalldatenspeicher
- Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre
Technisch nicht neu, aber von einer neuen Sichtweise auf den Fahrer geprägt ist der Geschwindigkeits-Assistent, der sogenannte Intelligent Speed Assistance (ISA). Die EU-Kommission hofft, damit rund 20 Prozent der Verkehrstoten in Europa vermeiden zu können. Die ISA-Technologie erkennt bestehende Geschwindigkeits-Begrenzungen, warnt den Fahrer vor zu hohem Tempo, tritt beim Übertreten der Vorgabe selbsttätig auf die Bremse und passt die Geschwindigkeit ans Tempolimit an. Der Fahrer kann ISA allerdings auch „überstimmen“, etwa wenn dies bei Überholvorgängen notwendig erscheint.
Als sehr wichtig gilt der EU-Kommission gilt auch der Notbremsassistent – mittlerweile in vielen Fahrzeugen Standard. Er hilft, Kollisionen zu verhindern, indem er in Gefahrensituationen auch mit Fußgängern oder Zweiradfahrern das Fahrzeug selbsttätig abbremst.
Der Notfall-Spurhalteassistent erkennt Gefahrensituationen, in denen das Auto ungewollt die Fahrspur zu verlassen droht. Dieses System greift im Bedarfsfall rigoroser als der „normale“ Spurhalteassistent in die Lenkung ein, damit das Fahrzeug in der Spur bleibt und nicht etwa in den Gegenverkehr gerät.
Als probates Mittel gegen den gefürchteten Sekundenschlaf erweist sich immer wieder der Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner. Erkennt der Hinweise darauf, dass der Fahrer müde oder unkonzentriert ist, wird er mit akustischen und optischen Signalen dazu angehalten, eine Pause einzulegen.
Das Notbremslicht, auch als „adaptives Bremslicht" bekannt, warnt nachfolgende Verkehrsteilnehmer vor heftigen Bremsmanövern des vor ihnen fahrenden Fahrzeugs. Während bei einem üblichen Bremsvorgang die Bremslichter „normal“ aufleuchten, blinken bei einer Notbremsung – etwa bei einer Verzögerung von mehr als sechs Metern pro Sekunde bei Tempo 50 – mehrmals pro Sekunde. Gleiches gilt, solange das ABS-System aktiv ist. Sobald das Fahrzeug zum Stehen gekommen ist, schaltet sich die Warnblinkanlage ein und das Bremslicht leuchtet dauernd.
Erhebliche Bedeutung bei der Klärung der Schuldfrage nach Unfällen dürfte in Zukunft der „ereignisbezogenen Datenaufzeichnung“ zukommen. Dieser Unfall-Datenschreiber ist eine Blackbox, die Daten unmittelbar vor, während und nach einem Zusammenstoß sammelt, unter anderem zu Geschwindigkeit, Bremsung, Position und Neigung des Fahrzeugs sowie Daten aus dem eCall-System. Die Informationen sollen aus Gründen des Datenschutzes anonymisiert und nur an nationale Behörden zum Zweck der Unfallforschung zur Verfügung gestellt werden. Die Blackbox kann nicht deaktiviert werden und muss sowohl in teil- als auch in vollautonomen Fahrzeugen vorhanden sein.
Mal sehen, wie lange die Gerichte in Europa auf die Daten aus der Blackbox verzichten werden. Doch könnte allein schon das Bewusstsein, dass er ständig von wachsamen Helfern umgeben ist, für eine ruhigere Gangart im Verkehr sorgen.