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In Goslar werden Weichen gestellt

Auch der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag wird – wie immer in der letzten Januarwoche – mit teils provozierenden Themen versuchen, auf die Gesetzgebung und Rechtsprechung Einfluss zu nehmen. Schon im Vorfeld haben sich die „Streithähne“ aus Richtern, Verwaltungs- und Versicherungsjuristen, Anwälten und Fahrlehrern in Position gebracht. VW-Bulli informiert über die wichtigsten Streitfragen. Am Montag erklären wir die mehrheitlich gefassten Entschließungen aus den insgesamt sieben Arbeitskreisen.

Arbeitskreis 2: Unfallursache Smartphone

Man postet, twittert, googelt oder mailt – jederzeit und allerorten, auch am Steuer.  Darunter leidet die Verkehrssicherheit, für markante negative Ausschläge in der Unfallstatistik sorgte letztes Jahr das Spiel Pokémon.

Forscher der TU Braunschweig dokumentierten jüngst, dass 5,8 Prozent von 2022 Fahrern auf der A 2 nahe Hannover lenkten und ins Handy tippten.

Weitere groß angelegte Studien zur Ablenkung der Autofahrer werden in Goslar vorgestellt. Egal ob eine App genutzt oder gechattet oder ein Foto über WhatsApp geschickt wird – die Kombination von Ablenkung und sozial-emotionalen Inhalten beeinträchtigen, so das Ergebnis dieser Studien, das Fahrverhalten und damit die Verkehrssicherheit „in erheblichem Maße“. Die Experten wollen in Goslar beweisen, dass Multitasking ein Mythos ist und der Mensch nicht fähig ist, eine Vielzahl von Reizen nebeneinander zu verarbeiten. Die Konsequenz ist zu erwarten: Schärfere Strafen für Handysünder bis hin zur Einziehung des benützten Geräts und einem Fahrverbot für längere Zeit. Die Versicherer werden mit Regressen drohen, weil sie diese Art von Schäden nicht mehr mittragen wollen.

 

Senioren sollen getestet werden ©HDI

Arbeitskreis 3: Senioren im Straßenverkehr

Je mehr Menschen älter werden, desto mehr „ältere Verkehrsteilnehmer“ sind auf den Straßen unterwegs, meist sind sie auch länger fit als Generationen zuvor und bleiben auch im hohen Alter mobil. Andererseits bescheinigen ihnen Verkehrsexperten erhebliche Besonderheiten auch bei ihrer Unfallbeteiligung. Selbst die kleinsten Lokalredaktionen hinterfragen bei Alltagsunfällen, ob Senioren am Steuer unfallursächlich sein könnten. Doch es gibt weder ein bestimmtes Alter, ab dem mit steigenden Unfallzahlen zu rechnen ist. Senioren werden regelkonformer und mindern ihr Risiko, aber sie sind auch häufiger krank und auf Medikamente angewiesen.

Im Arbeitskreis sollen die in Deutschland erfassten Daten, die Erfahrungen im Ausland und die juristischen Möglichkeiten diskutiert werden. Etwa, ob Beschränkungen, Auflagen oder Pflichtuntersuchungen, abhängig vom Lebensalter, vorgeschrieben werden können. Auch soll besprochen werden, ob fahrgeeignete Bürger nicht fälschlich als ungeeignet „eingeordnet“ oder – umgekehrt – nur noch „eingeschränkt fahrgeeignete Bürger“ auch tatsächlich als solche erkannt werden. Derzeit ist als Stichtag der 75. Geburtstag im Gespräch. Unfallforscher Siegfried Brockmann: „Wir fordern ein begleitetes Fahren – etwa mit einem besonders geschulten Fahrlehrer, der dem Senior dann sagt, was er noch kann oder nicht…“  Allerdings könnten solche Senioren-Tests nur freiwillig sein.

Die Autoversicherer haben bereits Konsequenzen festgezurrt und die Beiträge für Autofahrer über 80 Jahre drastisch erhöht.heiß diskutiert wird die Unfallaufnahme durch Privatfirmen. Enge Grenzen setzt zudem die Verfassung.

Arbeitskreis 4: Sicherheit des Radverkehrs

Einmal mehr wollen die Experten in Goslar die Radfahrer als besondere Problemgruppe unter die Lupe nehmen. Zwei Referenten, ein Unfallforscher der Versicherer und ein Polizist als Leiter der Fahrradstaffel der Berliner Polizei haben im Vorfeld bereits klare Aussagen veröffentlich.

Der Unfallforscher dokumentiert mit Zahlen ( 2015: 383 getötete Radfahrer, 14 000 schwer und 65 000 leicht Verletzte), dass der allgemeine Rückgang der Verkehrstoten sich in dieser Gruppe seit acht Jahren nicht einstellt. Seine Befürchtung: Je mehr Senioren aufs Rad umsteigen, womöglich elektrisch unterstützt, desto mehr Verletzte und Tote wird es geben.

Der Leiter der Fahrradpolizei wird aus der täglichen Arbeit berichten, die sich zwischen Repression und Prävention bewegt.

Arbeitskreis 7: Wieviel Polizei braucht der sichere Straßenverkehr?

Ein Dauerbrenner-Thema bei den Sicherheitspolitikern ist die Polizei. Ihr werden seit Jahren und nicht erst seit der Flüchtlingskrise immer mehr und neue Aufgaben aufgebürdet. Deshalb klagen Polizisten auch, für die Verkehrssicherheitsarbeit seien keine oder nur noch unzureichende Kapazitäten vorhanden. Die gerne erhobene Forderung, Aufgaben bei der Polizei auszugliedern und Privaten zu übertragen.Derzeit heiß diskutiert wird die Unfallaufnahme durch Privatfirmen. Enge Grenzen setzt zudem die Verfassung. Gleichwohl ist unstrittig, dass viele Polizisten an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind.

von Ernst Bauer