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Telematik: Der Spion im Auto

Das Autofahren wandelt sich. Nicht immer zur Freude von "traditionellen" Autofahrern, die einfach gern hinter dem Steuer sitzen. Eine besondere "Gefahr" stellt die Telematik dar.

 ©Goslar Institut

Wer auch nur ein winziges Tröpfchen Benzin im Blut hat, der darf nicht mit großer Hoffnung in die Zukunft blicken. Denn: Mobilität ist Dienstleistung. Das sagt zumindest Susanne Knorre, Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Hochschule Osnabrück. Das Automobil, wie auch immer es dann aussieht und welcher Antrieb es auch voranbringt, wird nach Ansicht vieler Wissenschaftler lediglich ein Teil eines visionären Mobilitätssystems sein. Aber mehr auch nicht. Gänsehaut und Nackenkribbeln sind passé, wir bewegen uns eher fremdbestimmt in einer Matrix die längst von Maschinen, sprich Rechnern und Algorithmen gelenkt wird. Neo und Trinity lassen grüßen.

Das Goslar Institut, eine der HUK-Coburg nahestehende Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern, hatte zu seinem traditionellen Diskurs darüber geladen, um der Frage nachzugehen, wie sinnvoll der zunehmende Datenfluss aus Autos und von dessen Fahrer genutzt werden kann. Bereits heute schon verwenden Versicherer diese Informationen bei so genannten Telematik-Tarifen, wenn Versicherungsnehmer auf freiwilliger Basis ihre Bewegungs- und Verhaltensdaten im Straßenverkehr preisgeben. Ingo Rheinländer von der HUK-Coburg führte aus, dass dabei Informationen über Fahrgeschwindigkeit, Ort, Zeit und sowohl Quer- als auch Längsbeschleunigung, also Kurvenfliehkraft und Beschleunigung, gesammelt werden. Daraus lässt sich ein relativ genaues Bild der Fahrweise des Versicherungsnehmers zeichnen, seine Risikobereitschaft lässt sich so bewerten und fließt in die Höhe der Prämie ein.

Das Feedback animiere die Fahrer zu einer vorsichtigeren Fahrweise, so Rheinländer, die Schadenhäufigkeit habe bei den Teilnehmern um 20 Prozent abgenommen. Das ist zunächst eine äußerst gute Nachricht und gewiss ein gewichtiger Schritt auf dem Weg der Vision Zero, dem Bestreben, die Zahl der Opfer von Verkehrsunfällen auf null zu senken. Heikel wird die Sache dann, wenn diese Informationen legal oder unrechtmäßig in die Hände von Dritten gelangen. Was dann folgt, erleben wir bei täglicher Computerarbeit und Internet-Recherchen. Wer sich informiert, was denn eine neue Haustüre so kosten würde, kann sicher sein, bei allen folgenden Besuchen von nicht werbefreien Seiten eine Flut von Angeboten für eine neue Pforte fürs Eigenheim zu erhalten. Dabei bleibt es aber nicht immer. Die Zahl der unerwünschten Werbe-Anrufe am Telefon hat im vergangenen Jahr dramatisch zugenommen.

Ellen Enkel, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Mobilität an der Universität Duisburg-Essen, sieht positive Begleiteffekte. Der Datenhunger der Anbieter und Vermarkter sei vorhanden, bringe dem Endverbraucher aber auch Nutzen. Basierend auf den Gewohnheiten des Autofahrers, könne ihm das Netz etwa Vorschläge für Restaurantbesuche unterbreiten, wenn er hungrig ist. Auch freie Parkplätze könnten gemeldet werden, was das störende und ökologisch völlig irrsinnige Kreiseln der Parkplatzsuchenden verhindern würde. Für die Hersteller würde sich der Traum der direkten Betreuungsmöglichkeit des Kunden nach dem Kauf erfüllen. Beim anstehenden Service für das Fahrzeug kann der Kundenservice Kontakt aufnehmen und einen Reparatur- oder Inspektionstermin vereinbaren. Natürlich in der Markenwerkstatt, obwohl die Fahrt zu einem markenunabhängigen Dienstleister dem Kunden teils dreistellige Euro-Summen ersparen würde.

Guido Kutschera, Diskurs-Teilnehmer von der Prüforganisation Dekra, schlägt daher den Einsatz von Datentreuhändern vor, die den Umgang mit den Informationen und ihre Weitergabe überwachen. Dass die Dekra sich da in Position bringen möchte, ist angesichts des Wettbewerbs mit dem TÜV und anderen Prüfern bei der Hauptuntersuchung offensichtlich. Dabei hat gerade die Dekra in einer bei den Marktforschern von Forsa eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben und herausgefunden, dass zurzeit die große Mehrheit von 88 Prozent aller Autofahrer die Kontrolle über ihre eigenen Fahrzeugdaten unbedingt behalten will. 38 Prozent sind sogar der Meinung, dass ihnen dieses Recht zusteht, wenn sie nicht der Fahrzeugeigentümer sind, wie es bei Mietwagen der Fall ist. Mit 46 Prozent hegen etwa die Hälfte aller Autofahrer die Befürchtung, dass sie über den Datenzugriff von anderen ausgespäht oder ihr Fahrzeug gehackt werden könnte.

Dabei ist das Verhalten der Verbraucher nicht konsequent. Einerseits geben sie die teils sensiblen Informationen bereitwillig heraus, etwa bei Videokonferenzen oder dem Surfen im Netz. Andererseits wird Datenschutz sehr hoch gewichtet, erkennen die Wissenschaftler. Die Bereitschaft zur Herausgabe sei abhängig von den Zielen, Belange der Umwelt oder des sozialen Miteinanders mache Big Data gesellschaftsfähig. Der Nutzen für die Allgemeinheit mache den Datenschatz der Autofahrer umso wertvoller, wenn er Teil eines Mobilitätssystems wird.

Dies wird der Fall beim autonomen Fahren, für das die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander unabdingbar ist. Was auch zu der Frage führt: Wieviel ist ein Datenpaket wert? Autohersteller werden den Datenschatz vermutlich nicht mit anderen teilen wollen. Auch die Frage, was persönliche Daten und welche fahrzeugbezogen sind, ist zu stellen. Dabei ist autonomes Fahren ja nicht dem Grunde nach verwerflich. Aber was geschieht, wenn es trotz aller Sicherheitsnetze zu einer Panne kommt, hat uns Matt Damon in seiner Rolle als auf dem Mars gestrandeter Astronaut Mark Watney gezeigt: Er schaltet die automatische Steuerung seines Rettungsschiffs aus und übernimmt manuell.

ampnet/mk