TÜV-Report: Mehr als jedes fünfte Auto fällt durch
21,5 Prozent aller beim TÜV zur Hauptuntersuchung vorgeführten Autos fällt wegen "erheblicher Mängel" beim ersten Anlauf durch. Das is tein Ergebnis des "TÜV-Report 2020".
In Deutschland ist gut jedes fünfte Auto (21,5 Prozent) bei den TÜV-Prüfstellen mit „erheblichen Mängeln“ durch die Hauptuntersuchung (HU) gefallen. Das ist das Ergebnis des aktuellen „TÜV-Reports 2020“, für den rund neun Millionen Pkw-Hauptuntersuchungen von Juni 2018 bis Juni dieses Jahres ausgewertet wurden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Durchfallquote geringfügig um 0,3 Prozentpunkte gestiegen. Fahrzeuge mit erheblichen Mängeln müssen von den Besitzern repariert und erneut vorgeführt werden, bevor sie eine neue Prüfplakette bekommen. Weitere 9,7 Prozent der Fahrzeuge waren mit „geringen Mängeln“ unterwegs (minus 2,3 Punkte). Der Anteil der mängelfreien Fahrzeuge ist um 1,1 Punkte auf 68,8 Prozent gestiegen.
„Ein großer Teil der Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen ist mit erheblichen Sicherheitsmängeln unterwegs“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands (VdTÜV), bei der Vorstellung der Ergebnisse heute in Berlin. „Insbesondere die Besitzer älterer Autos sollten ihre Fahrzeuge regelmäßig warten lassen, um sich und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden“, mahnte er.
Mit dem Alter der Fahrzeuge steigt die Durchfallquote erheblich an. Bereits bei den zwei bis drei Jahre alten Autos liegt die Quote der erheblichen Mängel (EM-Quote) bei 5,8 Prozent. Bei den sechs bis sieben Jahre alten Pkw fallen 16,4 Prozent der Autos durch die HU, und bei den zehn bis elf Jahre alten Pkw sind es 28,2 Prozent. Bereits seit Jahren steigt das Alter der Pkw in Deutschland kontinuierlich. Aktuell liegt das Durchschnittsalter der Fahrzeuge laut Kraftfahrt-Bundesamt bei neuneinhalb Jahren. Das sind 1,4 Jahre mehr als im Jahr 2010 und 2,6 Jahre mehr als im Jahr 2000. Das spricht aus Sicht des TÜV-Verbands zwar für die verbesserte Langlebigkeit moderner Fahrzeuge, die heute beispielsweise kaum noch wegen Korrosion aus dem Verkehr gezogen werden. „Das steigende Durchschnittsalter ist aber auch eine Herausforderung für die Verkehrssicherheit“, sagte Bühler. Fahrzeughalter sollten umso mehr auf die Funktionsfähigkeit von Verschleißteilen wie Bremsscheiben, Leuchten oder Achsfedern achten.
Sieger des aktuellen TÜV-Reports 2020 ist der Mercedes-Benz GLC. Mit 2,17 Prozent hat das SUV die geringste Quote erheblicher Mängel unter den bis drei Jahre alten Fahrzeugen. Auf Platz 2 liegen gleichauf mit einer EM-Quote von jeweils 2,20 Prozent der Mercedes-Benz SLK und der Porsche 911, die deutlich geringere durchschnittlichen Laufleistungen als der GLC aufweisen. Der Porsche gewinnt auch bei den vier- bis neunjährigen Autos (Typ 991) und den Zehn- bis Elfjährigen (Typ 997). Auffällig ist, dass unter den Top Ten in der jüngsten Altersklasse fast ausschließlich deutsche Hersteller sind (Mercedes, Audi und Porsche). Einzige Ausnahme ist der Mazda CX-3 auf Platz 6.
Mercedes-Benz dominiert im laufenden Jahr auch die Übersicht der Klassenbesten. Bei der Eingruppierung der einzelnen Modelle orientiert sich der TÜV an den vom Kraftfahrt-Bundesamt festgelegten Segmenten des Kraftfahrt-Bundesamtes. Neben dem GLC bei den SUVs gewinnt die C-Klasse in der Mittelklasse, die B-Klasse bei den Vans und die A-Klasse bei den Kompaktwagen. Der Audi A1 liegt bei den Kleinwagen vorne und der Opel bei den so genannten Minis. Die schlechtesten Modelle ihrer Klasse mit den höchsten Durchfallquoten bei den zwei und drei Jahre alten Modellem sind der Ford Ka bei den Minis (10,7 Prozent), der Fiat Punto bei den Kleinwagen (10,8 Prozent), Dacia Logan bei den Kompaktwagen (13,6 Prozent), Ford Mondeo in der Mittelklasse (9,1 Prozent), Dacia Duster bei den SUVs (11,7 Prozent) un der Citroen Berlingo bei den Vans (11,2 Prozent). In der höchsten Altersklasse (10–11 Jahre) haben mit einer Durchfallquote von jeweils 43,1 Prozent der Dacia Logan und der Chevrolet Matiz am schlechtesten abgeschnitten.
0,1 Prozent sind absolut verkehrsunsicher
Zu den häufigsten Auffälligkeiten bei der HU gehören Beleuchtungsmängel. Auf den TÜV-Prüfständen finden sich insbesondere ältere Fahrzeuge mit defektem Abblendlicht oder kaputten Bremsleuchten. Eine weitere Schwachstelle ist austretendes Öl an Motor oder Getriebe. „Ölverluste wirken bei Unfällen brandbeschleunigend und belasten die Umwelt“, warnte Bühler. Auch abgefahrene Bremsscheiben oder Defekte an den Bremsleitungen sind häufig der Grund dafür, dass Fahrzeuge bei der zweijährlichen Kontrolle durchfallen. Ein ernstes Sicherheitsrisiko sind Defekte an Achsfedern und Stoßdämpfern, weil die Fahrzeuge nicht mehr stabil auf der Straße liegen. Das ist vor allem in engen Kurven oder bei Ausweichmanövern gefährlich.
0,1 Prozent der Fahrzeuge wurden von den Prüfern als „verkehrsunsicher“ eingestuft und mussten sofort stillgelegt werden. Betrachtet man alle durchgeführten Hauptuntersuchungen in Deutschland, entspricht das rund 15 000 Fahrzeugen innerhalb eines Jahres. Aus Sicht des TÜV-Verbands ist es notwendig, die HU sowohl an die rasante digitale Entwicklung als auch an die steigenden Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge anzupassen. „Die Hauptuntersuchung müsse mit neuen Prüfkriterien für digital gesteuerte Assistenzsysteme und neuen Messungen für die Abgasuntersuchung fit für die Zukunft gemacht werden, betonte Bühler. Dafür müssten jetzt die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
Bereits in der aktuellen Prüfperiode sind verschiedene Änderungen bei der HU wirksam geworden. Auf Grundlage einer EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Pkw-Prüfungen in Europa ist erstmals die neue Kategorie des „gefährlichen Mangels“ in die Statistik eingeflossen. Sie beschreibt Defekte, die gefährlicher als ein „erheblicher Mangel“ sind, aber nicht zur Stilllegung des Fahrzeugs führen (Kategorie „verkehrsunsicher“). Fahrzeughalter müssen gefährliche Mängel wie undichte Bremsschläuche, defekte Leuchten oder ein nicht funktionierendes Reifendruckkontrollsystem „unverzüglich“ in einer Werkstatt beheben lassen. „Für die Fahrzeughalter ändert sich ein entscheidendes Detail: Fällt ihr Auto mit gefährlichen Mängeln durch den TÜV, müssen sie umgehend in die Werkstatt“, sagte Bühler. Im aktuellen TÜV-Report lag der Anteil der Fahrzeuge mit „gefährlichen Mängeln“ allerdings nur bei 0,4 Prozent. Das entspricht über sämtliche Hauptuntersuchungen hinweg in Deutschland rund 80.000 Fahrzeugen. Aufgrund der geringen Quote wird der Wert im TÜV-Report den erheblichen Mängeln zugeordnet. Weitere Neuerungen sind die Wiedereinführung der Endrohrmessung bei der Abgasuntersuchung sowie Prüfungen von Software-Updates und des Notrufsystems E-Call. Ein Check digital gesteuerter Assistenzsysteme und der dafür notwendigen Software findet aber nicht statt, kritisierte Bühler. Zudem fehle den Prüfern der Zugang zu sicherheits- und umweltrelevanten Daten in den Fahrzeugen.