Urteil: Auf Parkplatz oft kein "rechts vor links"
Wer denkt, dass auch auf Parkplätzen selbstverständlich "rechts vor links" gilt, der irrt. Vielmehr kommt es nach einem neuen Urteil auf feine Unterschiede an.
Viele Autofahrer gehen davon aus, dass auch auf großen Parkplätzen oder in Parkhäusern grundsätzlich „rechts vor links“ die Regel ist. Das legen oft auch die Hinweisschilder nahe, auf denen die Betreiber der Stellflächen darauf aufmerksam machen, dass auf ihrem Gelände die Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt. Dort lautet die grundlegende Vorfahrtregel, dass „rechts vor links“ immer dann zur Anwendung kommt, wenn keine Verkehrszeichen, Ampeln oder die Polizei den Verkehr regeln. Aber eben nicht auf Parkplätzen, wie viele Kraftfahrer irrtümlich meinen.
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt jüngst in einem Urteil (v. 22.06.2022, Az. 17 U 21/22) deutlich gemacht, auf das das von der HUK-Coburg getragene Goslar Institut für verbrauchergerechtes Versichern hinweist. Danach gilt auf privaten Parkplätzen nicht zwangsläufig die Rechts-vor-links-Regelung.
Das OLG Frankfurt hat jetzt in einem Rechtsstreit entschieden, dass die Vorfahrtregel „rechts vor links“ nur dann greift, wenn Fahrspuren deutlich als Straßen erkennbar und markiert sind. Handelt es sich hingegen um so genannte Fahrgassen, hat die standardmäßige „Rechts-vor-links“-Vorfahrtregel keine Gültigkeit. Wo liegt der Unterschied? Nach Ansicht der Richter, die auch das OLG München bereits 2020 in einem ähnlichen Urteil (Az.: 10 U 6767/19) vertreten hat, handelt es sich um Fahrspuren, wenn diese allein zum Ein- oder Ausfahren in oder aus ein(em) Parkhaus dienen und auch rein äußerlich mit regulären Straßen vergleichbar sind. Hier gilt grundsätzlich rechts vor links, so die Richter. Eine Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen dagegen stellt demnach keine Fahrbahn mit Straßencharakter dar, wenn sie dazu dient, den ein- und ausparkenden Rangierverkehr abzuwickeln.
In dem Fall, den das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte, war es auf einem Parkplatz zu einem Zusammenstoß von zwei Fahrzeugen gekommen. Auf eine zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse mündeten von rechts mehrere Fahrgassen. Sowohl in den seitlichen Fahrgassen als auch in der Ausfahrtfahrgasse befanden sich Parkboxen. Der Kläger befuhr die Ausgangsfahrgasse, der Beschuldigte kam aus einer der rechten Fahrgassen – im Einmündungsbereich der Gassen kollidierten die beiden Fahrzeuge. Auf dem Gelände galt laut Anordnung des Betreibers die Straßenverkehrsordnung. Es folgte ein Streit um Schadenersatzansprüche. Dabei argumentierte der eine der Beteiligten, sein Vorfahrtrecht als von rechts Kommender sei von dem anderen Autofahrer missachtet worden. Das hierzu angerufene Landgericht erkannte in dem Verfahren auf eine Haftung des Beklagten in Höhe von 25 Prozent.
Dieser Einschätzung folgte das OLG Frankfurt jedoch nicht: Vielmehr teilten die Richter auf die Berufung des Klägers hin die Haftungsquote hälftig auf jeweils 50 Prozent. Begründung: Der Beklagte könne kein Vorfahrtrecht für sich beanspruchen, weil Fahrgassen auf Parkplätzen keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen darstellten und somit auch keine Vorfahrt zu gewähren sei. Zwar seien die Regeln der StVO auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen grundsätzlich anwendbar, befand das Gericht. Doch „kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes ..., gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme ..., d.h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jemals anderen Fahrzeugführer zu suchen“, stellte das Gericht fest. Daher müssten sich die Fahrer den entstandenen Schaden teilen, weil jeder von ihnen gleich viel Schuld an dem Zusammenstoß gehabt habe.
Das Oberlandesgericht in München war in einem anderen Fall zuvor bereits zu einem vergleichbaren Urteil gelangt. Sie hielten bei einem Unfall, an dem zwei Fahrer beteiligt waren und der ebenfalls an einer Kreuzung von zwei Fahrgassen auf einem Parkplatz zustande kam, gleichfalls eine Haftungsteilung für angemessen. Auch in diesem Urteil wurde das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in einer Parkgarage oder auf einem privaten Parkplatz hervorgehoben. Davon gehen übrigens auch Versicherungen aus, unterstreicht das Goslar Institut.