ACE sieht in E-Scootern riesiges Problem
Seit zwei Jahren gibt es auf Deutschlands Straßen die sogenannten E-Scooter. Zunächst bundesweit als Teil der Verkehrswende laut bejubelt, werden deren Schattenseiten immer deutlicher. Jetzt spricht sogar der Auto Club Europa (ACE) von einem „riesigen Problem“ mit abgestellten Tretrollern, die für Fußgänger, Radfahrer und mobilitätseingeschränkte Menschen „brandgefährlich“ seien.
Schon vergangenes Jahr hatte der Deutsche Verkehrsgerichtstag dem Gesetzgeber empfohlen, eine Art kleinen Führerschein für E-Roller einzuführen. Mit einer solchen Fahrerlaubnis – ähnlich wie für Mofas – soll das Fahren sicherer werden, so die Argumentation der Fachleute.
Was im Februar 2020 noch mangels konkreter Daten nur vorsichtig formuliert wurde, hat sich inzwischen erhärtet. Unfälle mit solchen Rollern häuften sich, ebenso teils schwere Verletzungen und sogar Todesfälle. Eine der Hauptursachen ist die Sorglosigkeit bei manchen Nutzern, die keine Fahrpraxis haben und in kritischen Fahrsituationen die Kontrolle über Tempo und Lenker verlieren. Zusammenstöße mit anderen Rollern, Fahrrädern oder Menschen sind die Folge.
In diesem März hat das Statistische Bundesamt die ersten noch vorläufigen Unfallzahlen vorgelegt. Demnach registrierte die Polizei im Jahr 2020 in Deutschland insgesamt 2.155 Unfälle mit E-Scootern, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden. Dabei kamen 5 Menschen ums Leben, 386 wurden schwer verletzt und 1 907 leicht. Mehr als 80 % dieser Verunglückten waren selbst mit dem E-Scooter unterwegs gewesen.
Die meisten E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden gab es in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (566) und Bayern (334), die wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern (16) und Thüringen (11).
Unfälle können nicht immer auf einen einzigen Grund zurückgeführt werden. Insgesamt registrierte die Polizei bei E-Scooter- Fahrerinnen und -fahrern, die in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt waren, 2.355 Fehlverhalten. Der mit Abstand häufigste Vorwurf war das Fahren unter Alkoholeinfluss (431 Fehlverhalten oder 18,3 %). Zum Vergleich: Im selben Zeitraum waren es bei Fahrradfahrern 7,1 %, und bei zulassungsfreien Krafträdern (7,8 %). Neben dem Alkoholeinfluss legte die Polizei den E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrern häufig falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege zur Last (392 Fehlverhalten oder Anteil 16,6 %). Mit E-Scootern muss man, so weit vorhanden, Fahrradwege oder Schutzstreifen nutzen. Ansonsten sollen sie auf Fahrbahnen oder Seitenstreifen ausweichen, das Fahren auf Gehwegen ist verboten. Nicht angepasste Geschwindigkeit war der dritthäufigste Vorwurf (199 Fehlverhalten oder 8,5 %).
Einige Eigenarten der Roller würden bislang offenbar deutlich unterschätzt, meint das von HUK-Coburg getragene Goslar Institut für verbrauchergerechtes Versichern. So müssen die Benutzer von E-Scootern etwa beim Abbiegen – wie beim Radfahren – ein entsprechendes Armzeichen geben. Das gilt bei den kleinen Lenkern und kleinen Rädern der E-Roller jedoch als gefährlich, weil das Gefährt mit nur einer Hand am Lenker ziemlich instabil wird. Deshalb sprachen sich die Verkehrssicherheits-Experten beim VGT dafür aus, Blinker für die Roller einzuführen.
Außerdem plädieren sie für eine verbindliche Schutzausrüstung für die Fahrer. Denn obwohl die Flitzer nur 20 km/h schnell sein dürfen, warnen Mediziner doch vor den möglichen Verletzungsfolgen bei einem Sturz oder Unfall. Ärzte berichten in diesem Zusammenhang von Prellungen, Stauchungen, Platzwunden über Kopfverletzungen bis hin zu Knochenbrüchen. Sogar Querschnittslähmungen werden von Unfallärzten befürchtet. So forderte der TÜV Rheinland im Mai 2020 eine gesetzliche Helmpflicht beim Fahren eines Elektrotretrollers. Außerdem sollte das Fahren erlernt und geübt werden.
Dagegen klingt das Klagelied des ACE geradezu hilflos. Dessen Vorsitzender Stefan Heimlich forderte auf den Tag genau zwei Jahre nach der Erstzulassung der Scooter: „Es muss deshalb dringend und präzise geregelt werden, wo sie abgestellt werden dürfen. Zusätzlich müssen personelle Kapazitäten geschaffen werden, diese Regeln auch zu kontrollieren und durchzusetzen…“