Buchtipp - Bewegte Zeiten: VW Käfer
Neben dem Bulli war vor allem der Käfer ein Symbol des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit. Das neue Buch "Bewegte Zeiten: VW Käfer" begleitet den damals allgegenwärtigen Käfer durch die Jahrzehnte. Heiko Wacker stellt das Buch von Peter Kurze vor.
Hallo Käfer- und Bullifreunde!
So heftig die aktuelle Krise viele auch trifft, so hat sie doch auch lehrreiche Facetten: Man sehnt sich wieder nach Normalität, nach der Tour im Oldie, nach Urlaub und sozialen Kontakten. Schon einmal hegte das Land Sehnsuchtsgefühle, wobei die Jahre der braunen Diktatur und der Weltkrieg ganz andere Dimensionen hatten, ein Vergleich verbietet sich somit. Und doch vermag manch einer die Sehnsucht nach Normalität zu verstehen, wenn Papa oder Opa davon erzählen, wie das so war in den 1950er-Jahren. Auch Peter Kurze erzählt davon …
Sein Vehikel ist hier mal nicht der Bulli, sondern „Typ 1“, der VW Käfer: Denn der war nicht nur ein Fahrzeug für alle, sondern über Jahrzehnte hinweg vertraut, blickte man auf die Straßen. Und so blickt auch der jüngste Band von „Bewegte Zeiten“ in den Alltag vergangener Jahrzehnte. Und plötzlich fällt einem auf: Da liegt ja noch richtig Schnee in den Dorfstraßen!
Gerne werden die Jahre der Heimatfilme als unschuldige Jahre wahrgenommen, ja regelrecht verklärt, auch wenn sie das natürlich nicht waren. Denn auch in den 1960er-Jahren flog manch einer beim Crash durch die plane Windschutzscheibe des Käfers ohne Gurt, gab es Kaltverformungen, weil dem Menschen am Volant erst der Asphalt unter den Rädern und dann schließlich auch noch das Talent ausgingen – und auch solche Bilder zeigt das Buch.
Es zeigt aber auch Impressionen tatsächlich glücklicher Tage, und auch so manches Werbemotiv und manche Werbeanzeige schmuggelte sich ins Buch. Obwohl: Selbst die Werbung von VW hat ja Kultstatus, warum also nicht? Zudem wird die fiktive Geschichte jenes Herren greifbarer, den der Autor teilweise als roten Faden nutzt: Vom Handlungsreisenden, der sich in Hamburg erste Prospekte verschafft, und nach bestandenem Führerschein – ein Klacks in den 1950er-Jahren – den ersten Brezelkäfer gönnen kann, bis zum Abschied von den luftgekühlten Wolfsburgern und dem Einstand des VW Golf begleitet Peter Kurze die idealtypische Vita, die er als Kunstgriff ersann.
Dass auch davon erzählt wird, wie am Wochenende Nummerntafeln und eine heiße Auspuffanlage für den sportlichen Esprit es Kleinen Mannes sorgten, das gibt dem Buch ein wenig Würze. Und auf Seite 44 sieht man hinter dem Ovali mit der Startnummer 385 natürlich auch nen frühen Barndoor-T1. Sogar ein bisschen autobiographisch wird es: Bis zur Bodenplatte abgespeckte Käfer-Fahrgestelle wurden dereinst durch die Pampa gejagt, cool hat der Teenager eine Kippe im Mundwinkel, hinter ihm klemmt quer der T2-Tank. Wenn man dann auch noch sieht, was auf dem Schrottplatz, wo der jugendliche Rennfahrer seinen Untersatz herholte, noch alles auf die Verschrottung wartet, dann weint man als Oldiefan fast. Aber so waren sie eben, jene Zeiten, als ein Samba höchstens noch an der Taille zerlegt wurde, um das Oberteil auf nen alten Omnibus zu pappen. „Bewegte Zeiten“ eben.
Damit will es der Autor aber auch gut sein lassen. Weder ist sein Buch eine Enzyklopädie zum Käfer noch eine Fundgrube des Wissens. Nein, es erzählt und visualisiert ganz schlicht und ergreifend einige Anekdoten aus den ersten Jahrzehnten, als das Auto des Wirtschaftswunders durch die Welt krabbelte. Wir krabbelten mit – und waren froh, dies tun zu dürfen, denn Mobilität, individuelle zumal, die hatte noch einen ganz anderen Stellenwert als bei manch Youngster heute, dem das Wischtelefon in der Flosse wichtiger ist als der Schlüssel zum eigenen Auto in der Hosentasche.
Ich zumindest weiß den in diesen Tagen wieder sehr zu schätzen. Ich glaub, ich geh den mal kurz ins Zündschloss stecken. Einfach nur so ...
Peter Kurze: VW Käfer. Bewegte Zeiten. Verlag Delius Klasing Bielefeld 2020, 112 Seiten, 186 Fotos und Abbildungen, gebunden, 170 x 246 mm, ISBN: 978-3-667-11836-3, 16,90 Euro.