Zurück

Buchtipp: Bulli! Freiheit auf 4 Rädern

Dieter Kreutzkamp, Abenteurer, Autor, Fotograf und feste Größe in der Globetrotter-Szene hat ein wunderbares neues Buch veröffentlicht. Heiko Wacker hat "Bulli! Freiheit auf 4 Rädern" gelesen und spricht eine klare Kaufempfehlung aus.

 ©Piper Verlag

Hallo Bulli- und Reisefreunde!

In diesen Tagen jährte sich der Produktionsbeginn der Legende Bulli zum 70. Mal, die Serienfertigung in Wolfsburg begann am 8. März 1950. Na ja, „Kleinserie“ trifft es wohl eher, zwei Fahrzeuge wurden an jenem ersten Tag in blanker Handarbeit gebaut, der Beginn der Erfolgsgeschichte war klein und bescheiden. Und doch waren es die ersten Schritte im Leben eines echten Rumtreibers, denn binnen weniger Jahre sah man die markante Front mit der geteilten Doppelscheibe noch in der hintersten Ecke dieser Welt.

Dahinter freuten sich Menschen wie die Kreutzkamps darauf, den Globus bereisen zu können. Jahrzehnte, bevor es den rundgelutschten Begriff „Vanlife“ gab, sind die beiden einfach losgefahren. Sind auf Reisen gegangen wie so viele andere auch. Trotz skeptischer Blicke des sozialen Umfelds oder der Weigerung des Herrn Papa, auch nur „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Doch es wurde was erlebt unterwegs, und das wog jeden Skeptizismus auf, eine flotte halbe Million an Kilometern haben die Kreutzkamps im Laufe der Jahrzehnte auf den verschiedenen Kontinenten mit ebenso verschiedenen Fahrzeugen unter die Räder genommen. Dass dabei einige interessante Geschichten anlaufen, das ist klar. Denn Dieter Kreutzkamp, Jahrgang 1946, ist nicht nur Abenteurer, Autor oder Fotograf, sondern eine feste Größe in der bunten Globetrotter-Szene.

Und deshalb sei diese Buchbesprechung mit einer eindringlichen Warnung versehen: Wer einen wichtigen Termin am Folgetag anstehen hat, vielleicht eine Prüfung oder ein Vorstellungsgespräch, der sollte um Himmelswillen die Flossen von diesem Buch lassen, wird man sich doch zweifelsohne festlesen. Das ist wie am Lagerfeuer, wenn sich Stimmung, Witterung und Getränkevorrat im kosmischen Gleichgewicht befinden, und man um nichts in der Welt das nächtliche Prasseln verlassen möchte, sitzt doch einer dabei, der was zu erzählen hat aus seiner Zeit mit dem Bulli. Das sind die Nächte für die Ewigkeit, die zuweilen erst mit dem Sonnenaufgang enden.

Dabei lässt Dieter auf seinen 267 Seiten auch etliche Weggefährten zu Wort kommen, und schiebt auch mal Leute, die die Geschichte des VW Bulli geprägt haben, ins Rampenlicht. Peter Seikel, seines Zeichens „Allradpapst“, wird ebenso gewürdigt wie Karl-Heinz Forytta, der nicht nur wegen der Entwicklung der in der Heckklappe integrierten Klappstühle moderner VW Camper als „Mister California“ geadelt wird. (Okay, die Idee, die hatte eigentlich seine Gattin.)

Auch legendäre Sammler wie die Grundmanns oder Treffen wie „Hessisch-Oldendorf“ und „Fehmarn“ werden vorgestellt, was das Buch fast schon zu einem Bulli-Kompendium macht. Wer sich nicht auskennt, der wird nach der Lektüre wissen, warum unsere Szene so tickt wie sie tickt.

Als roter Faden dienen die sechs Modellgenerationen des Klassikers: Vom T1 bis heute sind Juliana und Dieter dem Bulli in all seinen Entwicklungsstufen treu geblieben, und so haben die beiden auch zu jedem Modell eine Story. Übrigens nicht immer im rosa Anstrich, blieben doch nicht nur Fahrzeuge, sondern auch mal Menschen auf der Strecke. Und auch heute noch kann man fühlen, wie es ist, ein treues Fahrzeug in Nepal verschenken zu müssen: „Kathmandu, 1977: In wenigen Tagen werden wir unserem abenteuerlichen Leben eine neue Richtung geben. 777 Tage ist es her, dass Juliana und ich im Bulli von daheim aufgebrochen sind, unsere Familien, die Berufe, kurz, das alte Leben komplett hinter uns gelassen haben. Mehr als zwei Jahre lang war der T1 unser Zuhause. Zweimal haben wir mit ihm Afrika durchquert, haben uns später im bitterkalten Winter über verschneite Pässe durchs wilde Afghanistan vorgearbeitet und dann über Indien und Ceylon zum Himalaja-Staat Nepal“, beginnt schon der Prolog des Buchs auf Seite 9. Weitere Details seien hier freilich nicht verraten – nur so viel: Der Bus, von dem die Rede ist, der hieß „Methusalem“.

Und doch würden die beiden jederzeit wieder losfahren, das wird klar. Und wenn man das Buch gelesen hat – das kann durchaus spät in der Nacht sein, das nur als zusätzlicher Warnhinweis – dann möchte man direkt selber starten. Denn auch nach sieben Jahrzehnten hat sich das Fernweh-Gen des VW Bulli kein bisschen abgenutzt. Er ist eben noch immer die Freiheit auf vier Rädern!

Dieter Kreutzkamp: Bulli! Freiheit auf 4 Rädern. Piper Verlag München 2020, 267 Seiten, gebunden, 140 x 220 mm, ISBN 978-3-89029-519-0, 22 Euro.

Heiko P. Wacker