Buchtipp: Der Sonne entgegen - Im VW-Bus Richtung Osten
Der Sonne entgegen! Ein Sehnsuchtsmotto – und das Drehbuch für so manchen Bulli-Trip. Gleich zwei von dieser Sorte unternahmen Katrin und Klaus Mees dereinst durch Länder, die man heute eher aus der Kriegsberichterstattung kennt. Heiko P. Wacker hat das Buch gelesen, von der ersten bis zur 320ten Seite. Die Erkenntnis, die kam aber erst danach...
Hallo Bullifreunde!
Es gab mal diese Serie der 1980er-Jahre, die zeigte die Richtung ähnlich verheißungsvoll an wie dieses Buch: Der Sonne entgegen! Ein paar Aussteiger entfliehen der mitteleuropäischen Tristesse, und landen schließlich auf einem wieder flott gemachten Kahn namens Tohuwabohu. Na, klickert's? Als Teenager begeisterte mich diese Fernwehsucht natürlich auch, dieser Geruch nach Freiheit und Abenteuer. Und auch deshalb war das Rauschen der Ferne sofort wieder da, als ich den Band von Katrin und Klaus in den Flossen hatte. Auch wenn auf dem Titel kein Mittelmeer, sondern eher ein Meer aus Stein und Sand zu sehen ist. Und mittendrin ein T2a-Kastenwagen mit eingeschrappter Nase im Geröll. Und vor dem Reserverad am Bug schaut Klaus ein klein wenig indigniert. Immerhin aber zeigt die Nase des Bulli stets nach rechts, nach Osten, die Richtung stimmt also. Na, das ist doch schon mal was! Also Schlüssel rum – Abfahrt!
Katrin und Klaus fuhren in den 1970er-Jahren gleich zwei mal im umgebauten VW-Bus auf dem legendären Hippie-Trail Richtung Osten. Okay, das taten damals auch andere. Den meisten ging es jedoch ums billige Hasch, vor allem Kabul war so ein dunstiges Ziel, jährlich zog dieser Ort zehntausende junge Leute an, die nicht selten in den Strudel der Drogen gerieten, manche rissen die rund 7000 Kilometer von Deutschland bis Kabul in zwei Wochen einfach nur so runter, gierig nach dem Rausch. Um am Ende auf dem Strich zu landen – auch die Jungs – und schließlich auf dem Ausländerfriedhof. Fahrtende!
Katrin und Klaus ging es indes nicht um die chemische Bewusstseinserweiterung oder fernöstliche Spiritualität, sondern um das Reisen an sich, um eine sehr viel greifbarere Bewusstseinserweiterung: Sie wollten die Fremde mit eigenen Augen sehen, einmal – und vor allem vor der beruflichen Karriere – andere Welten erleben jenseits des nationalen Horizonts. Dass das soziale Umfeld davon nicht gerade jauchzend begeistert war? Geschenkt!
Zwei Mal wurde in München gestartet – Vorteil Süddeutschland, die Anfahrt quer durch die Republik war schon mal abgehakt – bevor es über den Autoput, der ebenso legendären wie verrufenen Hauptroute Richtung Türkei ging. Dass die Piste eigentlich „Autoput bratstva i jedinstva“, die „Straße der Brüderlichkeit und Einheit“ hieß, das hatte nix zu sagen, so recht brüderlich ging es eher selten zu. Indes war das schon mal die passende Einstimmung auf die Türkei, auf Syrien, den Irak, den Iran, Afghanistan und Pakistan, bevor es nach Indien, Nepal, Sikkim und Sri Lanka ging.
Folglich erzählen die Protagonisten – eigentlich ist es alleine Katrin, die schreibt – gleich in zwei Tranchen von den Eindrücken, von der Wirkung völlig fremder Welten auf die beiden braven Westeuropäer. Leute, es gab noch kein Internet, kein Twitter, kein Fratzenbuch und kein Du-Tube – wie krass muss es gewesen sein, diesen Kulturschock (darf ich schreiben, oder Katrin?) zu verdauen! Und immer wieder auch die Begegnung mit Menschen. Und gerade in Indien bedeutet das immer den Plural, die Massen rücken einem gerne auf die Pelle und in den Bus, damit muss gerechnet werden. Entsprechend schockiert zeigt sich Katrin mitunter, das sei ihr auch zugestanden!
Vor diesem Hintergrund relativieren sich im Laufe der Lektüre der 320 Seiten auch manche Bemerkungen, die man anfangs noch als postkoloniales Gehabe abtun möchte: Das Buch blickt aus der westdeutschen Brille der 1970er-Jahre auf die Kulturen des Mittleren und Fernen Ostens der 1970er-Jahre. So manch einem – ja, ich nehme mich da nicht aus, ich ließ das Buch nach der Lektüre eigens noch drei Tage gedanklich schmoren – fällt erst nach der letzten Seite auf, dass er gerade ein Zeitdokument in doppelter Hinsicht hat lesen dürfen, das beide Welten, die vor und hinter der gewölbten Frontscheibe, zeigt.
Dass man über das Vehikel der Reisen nicht viel mehr erfährt, das sei hiermit aber auch angemerkt, zwei Mal wird von den 47 PS berichtet, einmal von einer Truma-Standheizung, die die zweite Reise behaglicher machte, einmal von einer Flutung des Inneren – ansonsten verharrt der Wagen in der Neutralität. Kein Woher, kein Wohin – der Bulli bleibt namenlos, und somit reines Transportmedium. Indes ist auch dies zeittypisch, es gab einen Bulli ja an jeder Ecke. Und wer verschwendet schon einen Gedanken ans schnöde Blech, wenn es gilt, der Sonne entgegen zu eilen …?
Katrin & Klaus Mees: Der Sonne entgegen und über uns die Sterne. Im VW Bus Richtung Osten. Verlag Book on Demand (BoD) Norderstedt 2020, 320 Seiten, 83 Fotos, Taschenbuch, Format: 13,5 cm x 21,5 cm, ISBN: 978-3-749-46617-7, 24,95 Euro.