Buchtipp: Drive Your Adventure
35.000 Kilometer legten Elsa Frindik-Pierret und Bertrand Lanneau im T6 California namens "Patrick" quer durch Europa zurück. Die Reise-Erlebnisse gibt es nun in einem guten Buch nachzulesen, das Heiko P. Wacker hier vorstellt.
Einsteigen, losfahren! Wer einmal diesen besonderen Kick mit seinem Bulli erlebt hat, der kann sich vorstellen, wie sich Elsa & Bertrand beim Start zum großen Rundkurs gefühlt haben. Immerhin unternahmen sie diesen nicht einmal im eigenen Camper. Sondern im für einige Monate „gewonnenen“ T6 California: Den stellte "WeVan" zur Verfügung. Hört sich ein bisserl chaotisch an? Jupp – ist es auch. Aber so muss das Leben manchmal sein!
Elsa Frindik-Pierret und Bertrand Lanneau hatten Glück mit ihrer Bewerbung bei der noch recht jungen französischen Campervan-Vermietung WeVan: In Nantes stand passend zur Reisesaison 2016 ein blauweißer Coast für sie bereit, mit dem es sechs Monate lang durch 24 Länder in ganz Europa gehen sollte. Festgehalten wurden die Erlebnisse, wir leben ja in der Zeit des Wischtelefons und des mobilen Internets, im Blog „driveyouradventure.com“. Kürzlich flossen dessen Inhalte in ein durchaus opulentes Buch gleichen Namens. Und schon wären wir mitten in der Geschichte.
Und die lässt es zügig angehen, 35.000 Kilometer in einem halben Jahr abspulen – das will geplant und durchdacht sein. Und so spürt man auf den einzelnen Seiten öfter mal den Wunsch der beiden Protagonisten, an einem besonderen Ort ein wenig länger zu verweilen. Doch hat der schnelle Wechsel der Szenerien auch seinen ganz eigenen Reiz, den Reiz des Roadmovies eben, bei dem Bilder, Eindrücke, Menschen, Orte und Geschehnisse zugleich verwischen und doch in Erinnerung bleiben.
Denn: Das „Alte Europa“, was ein Glück, hier sein zu dürfen, ist ein unglaublich vielschichtiger Kontinent – das zeigt diese Reise, die eigentlich nur die Alpenrepubliken, Luxemburg, die Tschechei und Andorra ausspart, sonsten aber verblüffend vielfältige Einblicke gibt in die charmanten Eigenarten der einzelnen Nationen. Oft ungewöhnliche, fast durchweg positive Erlebnisse pflastern den Weg der beiden jungen Leute aus Frankreich, die nicht nur einfach einsteigen, um den Alltag hinter sich zu lassen. Nein, es gelingt ihnen tatsächlich. Und so liest man sich umgehend fest, das Trio gespannt auf dem Trip verfolgend.
Trio? Ach ja, natürlich bekommt der Bulli einen Namen. „Patrick“ ist der treue Begleiter der Fahrt, der ohne Pannen und mit nur einem schwachen Moment im Tiefsand durchkommt: Bertrand muss natürlich unbedingt angeben, wenn mal Gäste an Bord sind. Technische Details lassen die beiden Autoren nur gelegentlich in den Text einfließen, Merkmale wie Getriebe, Leistung oder Verbrauch bleiben im Verborgenen. Immerhin kann man den anhand der Daten im Appendix ungefähr auf 10 bis 11 Liter schätzen.
Nun, der T6 war ja voll beladen, auf dem Deckel auch noch ein Dachsarg und Surfutensilien: Unterwegs war es Bertrand wichtig, ab und an die Sportskanone rauszuhängen. Bertrand Lanneau wuchs in Aix-en-Provence auf: Als Sport-Enthusiast und Hobby-Fotograf entschied er sich für ein Studium im Bereich Sport-Marketing. Er war der Kreative im Team und hielt die Reiseerlebnisse fotografisch fest. Und das richtig gut, muss man sagen.
Elsa Frindik-Pierret wiederum stammt von der Insel Oléron, einem gar nicht so kleinen Eiland nördlich der Gironde-Mündung in den Atlantik, lernte schon als Kind mit ihren Großeltern ganz Frankreich kennen, studierte Kulturmanagerin – und war die strenge Organisatorin des Reiseteams, das sich für sechs Monate auf sechs Quadratmetern einzurichten hatte.
Dass das wunderbar bebilderte Buch denn auch von den Einschränkungen berichtet, von den kleinen Problemchen des Alltags, der allabendlichen Suche nach einem ebenen und möglichst abgeschiedenen Plätzchen – das macht die Lektüre reizvoll. Selbst Details zur Körperhygiene werden nicht ausgespart, und so sind gerade die diversen Tipps zur Herstellung eigener Pflegeartikel oder auch die immer wieder eingestreuten, dem jeweiligen Land huldigenden Rezepte nachahmenswert. So manches Gericht möchte man am liebsten nachkochen, vielleicht direkt vor Ort. Mal eben nach Italien, Risotto „Le Tore“ zubereiten? Warum nicht?!
Bei all dem achten die beiden auf ihren „Fußabdruck“, auf Küchentücher wird ebenso verzichtet wie auf Zucker oder das Zumüllen der Landschaft. Im Gegenteil wird am Mittelmeer mal eben ein Strandabschnitt auf einer Halbinsel gesäubert, diverse Säcke voller Plastikdreck liegen flugs neben dem Bulli. Reisen ist eben auch immer wieder mit Verantwortung verbunden – was nicht einmal ansatzweise die gute Laune an Bord schmälern muss.
Gute Laune hat auch der Leser, das steht außer Frage. Immerhin fährt man sozusagen inkognito mit, das Buch berichtet im leichten Swing von einer großen Runde. Nicht reißerisch und nach Superlativen jagend – sondern ehrlich und liebenswert. Wer so reist, der kommt eben weiter.
Bleibt am Ende nur die Frage, ob denn das Buch eher eine Reportage ist oder mehr ein Reiseführer. Ich würde mal sagen: Es ist beides, und noch viel mehr. Lesenswert ist es nämlich. In diesem Sinne: Aufschlagen, loslesen: Viel Spaß dabei!
Elsa Frindik-Pierret, Bertrand Lanneau: Drive Your Adventure. Ein Roadtrip im Van quer durch Europa. Übersetzt von Karin Weidlich. Knesebeck Verlag München 2018, 19 x 25 cm, Klappenbroschur, 319 Seiten mit 400 farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-95728-175-3, 29.95 Euro.