Zurück

Bullibauer erinnern sich - Geschichten ehemaliger Mitarbeiter

Fast jede unserer Buchrezensionen beginnt damit, festzustellen, dass doch über den Bulli eigentlich bereits alles geschrieben und gesagt wurde. Dennoch veröffentlichen diverse Verlage immer wieder vermeintliche Neuigkeiten über den Bus, die sich oft als kopierte Textpassagen aus älteren Werken oder einer Zusammenstellung neuer Bilder herausstellen. Mit dem Bulli lässt sich heutzutage eben gutes Geld verdienen. Doch es geht auch anders. Es gibt wirklich noch die innovativen Ideen, mit denen man Bulli- und Buchliebhaber begeistern kann. „Bullibauer erinnern sich“, herausgegeben von der Madsack Medienagentur, ist ganz ohne Zweifel so ein Exemplar, denn wer, wenn nicht die Mitarbeiter bei Volkswagen Nutzfahrzeuge, die seit dem 8. März 1956 in Hannover-Stöcken mit der Serienfertigung des Transporters beschäftigt waren, könnte die besten Geschichten über jenes Auto erzählen, das uns heute so fasziniert.

So ist unter der Redaktion von Cornelia Neves, Mitarbeiterin bei der Unternehmenskommunikation-Standorthistorie, sowie Bruno Bauer und Bert Strebe eine tolle Sammlung von teils privaten Bildern, vor allem aber von interessanten Geschichten und Anekdoten aus mittlerweile 60 Jahren Bulli-Bau in Hannover entstanden.

Angefangen mit dem ersten Ausbildungsjahrgang von 1959 bis hin zu Mitarbeitern, die erst vor wenigen Jahren in den Ruhestand gingen – in diesem Buch kommen die Geschichten von über 60 Zeitzeugen zu Papier. Es macht sofort Spaß im Buch zu stöbern. Im ersten Durchgang reichen die vielen Bilder, die zum Großteil aus den privaten Fotoalben der Mitarbeiter stammen, um gefesselt im Sessel sitzen zu bleiben. Einblicke in die Bulliproduktion, wie man Sie so wohl noch nicht gesehen hat, werden dem Leser vergönnt.

Unterteilt ist das Buch in 46 einzelne Geschichten, nahezu jede lesenswert. Wer hätte gedacht, dass sich die Mitarbeiter der Produktion in den sechziger Jahren kostensparend von gelernten Friseuren, die mittlerweile ebenfalls bei VW arbeiteten, in den Pausen die Haare schneiden ließen. War die Pause dafür jedoch zu kurz, wurde einfach weiter geschnitten und andere Kollegen übernahmen aushilfsweise die Arbeit am Band. Heute wahrscheinlich ebenso undenkbar, wie die in leere Wasserflaschen abgezapfte Cola aus dem tagelang tropfenden Cola-Automaten, an den sich Bernhard Haentjes noch erinnern konnte.

Laut Ralf Milosevic, der von 1969 bis 2006 bei VW in Diensten war, gab es an den Zahltagen im Werk Hannover immer einen auffällig niedrigen Wasserverbrauch. Das lag letztendlich daran, dass man zum Duschen zwar seine Arbeitskleidung und den hart erarbeiteten Lohn sicher im Spind verschließen konnte, aber niemand eine Lösung für den dann übriggebliebenen Spindschlüssel parat hatte.

Schmunzelnd stöbert der Leser durch viele weitere Anekdoten und gelangt zur Erkenntnis, dass es doch ein gutes Werk über den VW-Bus geben kann. Das Team um Cornelia Neves hat tolle Arbeit geleistet, mehr als 200 Zeitzeugen aufwendig befragt und das entstandene Material sortiert und geordnet. Nicht nur nüchterne Fakten, sondern kleine Randgeschichten und viele private Einblicke machen das Buch so lesenswert und authentisch.

„Bullibauer erinnern sich – Geschichten der (ehemaligen) Mitarbeiter von Volkswagen Nutzfahrzeuge“ ist ein absolutes Muss im Bücherregal eines jeden Bulli-Liebhabers. Erschienen ist das 156-seitige Werk unter der ISBN-Nummer 978-3-946544-02-9. Es ist für 14,90 Euro im Fachhandel oder über die Internetadressen shop.haz.de oder shop.neuepresse.de erhältlich.

Von VW-Bulli.de gibt es für dieses Buch alle Daumen nach oben, die wir haben.

von Patrick Kühl