Campen auf dem Bauernhof: Mehr Plätze, aber nicht immer ruhig
Gute Nachrichten für Camper: In diesem Jahr hat die Zahl der von Landwirten angebotenen Stellplätze erheblich zugenommen. Das macht spontanes Campen wieder möglich. Ruhe ist aber nicht garantiert.
Die Reisesaison ist in den vergangenen Wochen für viele Camper zu Ende gegangen. Nicht wenige von ihnen haben in diesem Jahr erneut die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass eine erfolgreiche Stellplatzsuche für die Nacht insbesondere in touristisch attraktiven Region, wenn überhaupt, dann nur mit rechtzeitiger Reservierung gelingt. Das aber widerspricht in den Augen vieler dem Grundgedanken dieser Reiseform. Der spontane Halt in schönem Umfeld ist nahezu unmöglich geworden, ein Reiseplan ist erforderlich und schränkt so die von Wetter und Laune bestimmte Beweglichkeit der Camper arg ein. Aber es gibt auch gute Nachrichten. In diesem Jahr hat die Zahl der von Landwirten angebotenen Stellplätze erheblich zugenommen.
Vor allem Weinbaubetriebe haben die mobile Kundschaft als verlässliche Größe entdeckt: Ihre Kofferräume bieten viel Platz für den einen oder anderen Weinkarton, die Verkostung der guten Tropfen gestaltet sich ganz unbeschwert, da sich der Weg ins eigene Bett von nur wenigen Metern zu Fuß bewältigt lässt.
Die Hochschule Geisenheim University und der Caravaning Industrieverband haben die Situation analysiert und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gelangt.600 Weingüter wurden befragt, und alle haben den mehrseitigen Fragebogen ausgefüllt, auch wenn sie aktuell kein Stellplatzangebot haben. Die repräsentative Studie zeigt, dass 23 Prozent der etwa 16.000 Winzer in Deutschland mindestens einen Stellplatz anbieten. Die Preisspanne liegt zwischen vier und 35 Euro, 40 Prozent der befragten Betriebe gaben an, dass sie die Einrichtung von einem oder mehreren Stellplätzen in absehbarer Zeit planen.
17 Prozent der mobilen Weintouristen kommen aus Nordrhein-Westfalen, 16 Prozent aus Baden-Württemberg. Es folgen Hessen (12 %), Rheinland-Pfalz (11 %) und Bayern (9 %). Aus dem Ausland reisen 17 Prozent der Camper an, die Mehrzahl von ihnen stammt aus den Niederlanden (70 %).
Neben den Winzern haben auch andere Landwirte ihr Herz für die Gäste im Reisemobil entdeckt, Ferien auf dem Bauernhof, Pony-Reiten, Alpaca-Spaziergänge und Einkaufen im Hofladen sind nicht nur für Familien attraktiv. Allerdings sind viele Stellplätze der Gastgeber nicht direkt buchbar, sondern nur über Portale wie die von Road-Surfer oder Alpaca-Camping. Dabei fällt neben der Stellplatz-Gebühr zusätzlich eine Service-Pauschale am, die der Vermittler, über den der komplette Bezahlvorgang per Kreditkarte und Internet abgewickelt wird, erhebt. In den üblichen Apps werden diese Stellplatze nur ohne genaue Adresse angezeigt, so will man offensichtlich verhindern, dass die Camper direkt vor Ort buchen und die Servicekosten sparen. Die exakte Adresse gibt es erst nach der Bezahlung. Anders zum Beispiel der Stellplatzführer von Landvergnügen. Wer ihn kauft, der erwirbt automatisch eine Vignette und eine Mitgliedskarte für ein Jahr, die zum einmaligen und kostenfreien Übernachten bei einem der aufgeführten Anbieter berechtigt.
Allerdings birgt die Übernachtung auf Wirtschaftsbetrieben für Camper auch gewisse Risiken. Jeder ist froh, am Abend einen sicheren Hafen erreicht zu haben und schaut vielleicht nicht ganz genau hin. Erst am nächsten Morgen reift möglicherweise die Erkenntnis, dass es mit der Ruhe auf dem Land nicht soweit her ist. Denn gerade zur Erntezeit beginnen die Winzer früh mit der Weinlese, dumm, wenn der Weg der lauten Landmaschinen ab 6 Uhr in der Früh direkt am Stellplatz vorbeiführt. Wir haben das neben den Apfelplantagen Südtirols erlebt, als wir glücklich den letzten Platz des Camps auf einer Ausweichfläche ergattern konnten, der kleine Traktor des Obstbauern aber noch nach Einbruch der Dunkelheit und am nächsten Morgen schon kurz nach Tagesanbruch heftig dröhnend unterwegs war. Der Schlepper war außerdem nicht nur unüberhörbar, er war auch zu riechen. Sein uralter Dieselmotor entsprach vermutlich Euro 0, was dem Abendessen vor dem Womo die rechte Würze verlieh.
Hierauf haben die Stellplatzvermittler natürlich keinen Einfluss, auch nicht auf die sensiblen Zeitpläne der Landwirtschaft. Auf einem Bauernhof Nahe der bayerischen Stadt Erding war der Empfang herzlich, aber auch mit einer Warnung versehen: Man bittet um Verständnis, dass zwei Lastwagen aus den Niederlanden sich verspäten würden und das dringend erforderliche Verladen der empfindlichen Chicoree-Wurzeln sich dann noch eine Weile in den Abend ziehen würde. Gegen 23 Uhr war es geschafft und die Fahrer stellten die Motoren ab, um sich zum Schlafen zu legen. Dass die beiden mächtigen Sattelschlepper bereits um 5 Uhr am nächsten Morgen wieder starteten, hat uns kaum geweckt. Wohl aber ein dritter Lastzug, der überraschend und viel zu früh eine Stunde später ankam und natürlich auch gleich mit dem Laden begann. Die 20 Euro für den Stellplatz hat uns die Bäuerin unaufgefordert und zerknirscht zurückgegeben.
Grundsätzlich ist die Erweiterung des Stellplatzangebotes durch Landwirte begrüßenswert. Aber es sollte frühzeitig eine Kontaktausnahme möglich sein, in der sich Beeinträchtigungen durch Ernte, Verladung oder allgemeinen Lärm besprechen lässt. Denn wenn sich die Beschwerden häufen, die heute schon in den Beurteilungschats der Stellplatz-Apps vereinzelt auftauchen, ist es mit der Lust auf Landwirtschaft schnell wieder vorbei. Aber auch die diametral auseinanderliegenden Interessen lassen sich im Gespräch in Einklang bringen, der Winzer will Arbeit und Lohn, der Wohnmobil-Gast Erholung und Vergnügen.