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Caravan Salon - Zum 60. gibt's eine Jubiläumsparty

Der Caravan Salon in Düsseldorf ist zur wichtigten Campingmesse der Welt geworden. Zum ersten Mal öffnete der Salon im Jahr 1962 seine Tore - in Essen. Ein Blick zurück und auch nach vorn.

Caravan Salon in Essen.

 ©Messe Essen

Der Caravan-Salon in Düsseldorf ist zur wichtigsten und größten Campingmesse der Welt geworden. Was 1962 als zartes Pflänzchen mit 34.500 Besuchern begann, ist zur führenden Leistungsschau der Caravaning-Branche geworden. Hier werden die großen Premieren gefeiert und nirgendwo anders können sich die Gäste einen so umfassenden Einblick in die Angebote der Hersteller und Dienstleister verschaffen wie in den Messehallen im Norden der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Vom 27. August bis zum 5. September 2021 findet die Ausstellung wie bereits im vergangenen Jahr in Düsseldorf trotz Pandemie statt.

2020 sorgten ein umfassendes Hygienekonzept und drastisch reduzierte Zugangsmöglichkeiten für einen reibungslosen und nachweislich infektionslosen Ablauf. 107.000 Besucher wurden eingelassen, im Jahr vor der Pandemie und ohne die Zugangsbeschränkungen waren es mehr als 270.000. Erneut sollen Maskenpflicht, Abstandsregeln, Desinfektionsstationen und mehrere 100 Sicherheitskräfte einen sicheren Aufenthalt für Gäste und Aussteller garantieren.

Seinen Ursprung hatte der Caravan-Salon mitten im Ruhrpott, auf dem Messegelände der Stadt Essen rund um die Gruga-Halle. Während dort die Größen des Rock‘n Roll aufspielten, ging es in der Ausstellung eher volkstümlich zu. Blasmusik und Dirndl gehörten zum Camping wie die Kunststoff-Butzenscheiben vor den Barschränken der Caravans, die damals im Vergleich zu den noch nahezu unbekannten Reisemobilen klar in der Überzahl waren. Der „Gelsenkirchener Barock“ galt als bevorzugter Einrichtungsstil im Haus auf Rädern, Eiche rustikal gehörte zum guten Ton an Bord. Auch die Zahl der Aussteller war überschaubar, 61 Unternehmen aus acht Ländern präsentierten ihre Produkte und drängelten sich auf 15.000 Quadratmeter Fläche. Zum Vergleich: 2019 waren 645 Hersteller auf dem Salon präsent und belegten 214.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Caravan Salon in Essen.

 ©Messe Essen

Eine überaus anrüchige Angelegenheit

In Essen wehte noch der Wind des Handwerks, viele Wohnwagenbauer stammten aus Schreinerbetrieben und verstanden es, mit Holz umzugehen. Eine Heizung oder selbst fließendes Wasser waren an Bord nicht selbstverständlich, mussten häufig als Sonderausstattung extra bezahlt werden. Apropos müssen: Der Vorgänger der heute höchst komfortablen Kassetten-Toilette war ein Kunststoff-Eimer mit Brille und einem bisweilen halbwegs geruchsdicht abschließenden Deckel – eine überaus anrüchige Angelegenheit.

Der zehnte Caravan-Salon knackte die Besucherzahl von 100.000 Messe-Gästen, Bundesinnenminister Dietrich Genscher übernahm die Schirmherrschaft. 1978 überholten die Reisemobile den Caravan und waren erstmals volumenstärkste Produktgruppe. Aber auch für Schrulligkeiten war noch genügend Raum vorhanden. Helmut Wilk, dessen Fabrik in Bad Kreuznach zu Hause war und die Fahrzeuge damals folglich die amtliche Zulassung KH hatten, wechselte das Amt und ließ die Wohnwagen lieber in Wiesbaden mit dem Wunschkenneichen WI-LK zu. Von ihm stammte auch die Idee eines Jagdwohnwagens mit integriertem, ausfahrbarem Hochsitz. Geholfen hat ihm das nicht, 1986 musste er Konkurs anmelden, die Firma wurde von Knaus übernommen und 2014 aufgelöst.

Katalog des ersten Caravan Salons.

 ©Messe Essen

Auf Einkaufstour inmitten der Krisen

Eine Begleiterscheinung des Salons waren Krisen. Etwa die zweite Ölkrise Anfang der siebziger Jahre. Tabbert reagierte mit einer Caravan-Baureihe, die den Namen Wind trug und mit einem stark abgeschrägten Bug bessere aerodynamische Eigenschaften bekam und damit für weniger Verbrauch des Zugfahrzeugs sorgen sollte. Ein Kollege vom WDR kritisierte, dass die Sitzgruppe vorne deswegen kaum mehr nutzbar sei. Der damalige Pressesprecher der Marke, ein großer Mann mit mächtigem Umfang, wiedersprach und quetschte sich zwischen den zierlichen Tisch und das schmale Rückenpolster. Worauf die Sitztruhe mit zackigem Knirschen der übermäßigen Belastung nachgab.

Doch verunsicherte Käufer mehrten sich trotzdem, und bald rächten sich die ob des bisherigen Wachstums erweiterten Produktionsvolumina. Es kam zu Zusammenschlüssen. Knaus, gerade selbst vor dem Abstieg gerettet, übernahm in den Folgejahren Tabbert, Weinsberg und Eifelland. Hymer schluckte unter anderem Dethleffs, Bürstner, Niesmann + Bischoff, LMC und den italienischen Hersteller Laika, nur um anschließend selber übernommen zu werden. Bei der Suche nach einem Investor in den Vereinigten Staaten, mit dessen Hilfe der nordamerikanische Markt erschlossen werden sollte, bekam der US-Wohnmobil-Hersteller Thor Industries Appetit auf den in Bad Waldsee beheimateten Konzern und kaufte die Hymer Group 2019 für rund 1,9 Milliarden Euro.

Von der Ruhr an den Rhein

Einen Wandel gab es beim Einrichtungsstil. Bereits in seiner Zeit als Vertriebschef bei Knaus hatte Klaus-Peter Bolz eine Wende eingeleitet. Helle und fröhliche Farben, neue Materialien und Fertigungstechniken lösten die barocken Möbel im Innenraum ab, sorgten für Gewichtseinsparungen und frischen Wind beim Camping. Der Visionär Bolz beschäftigte externe Berater, so den Industrie-Designer Helmut Lang und die Innenarchitektin Margarethe Steinlein, die ihm teils zauberhafte neue Ideen vorlegten. Nach dem Wechsel des früh verstorbenen sympathischen Baden zu Bürstner, zeigte die Marke den Caravan-Prototypen Flirt, dessen Einrichtung nicht im rechten Winkel, sondern um acht Grad versetzt eingebaut war. Ungewohnte Blickachsen und ein völlig neues Raumgefühl wurden allenthalben als bahnbrechend gelobt. Allein, der klassische Camper kauft gerne konservativ und so blieb der Flirt auf der Strecke.

Das gleiche Schicksal ereilte 1994 die Messe Essen, zumindest, was den Caravan-Salon angeht. Die Aussteller beanspruchten immer größere Stände, an der Gruga-Halle war dafür nicht mehr genügend Platz vorhanden. Folglich zog der Salon um, von der Ruhr an den Rhein nach Düsseldorf. In der Tat ergab die neue Hallenstruktur deutliche Verbesserungen für Hersteller und Besucher. Sogar einen eigenen Stellplatz für mehr als 1000 Reisemobile konnte die Messe nun bieten. Der liegt zwar direkt am Ende der Startbahn des Düsseldorfer Flughafens, aber immerhin gibt es dort ein Nachtflugverbot zwischen 23 und 6 Uhr.

Caravan Salon in Düsseldorf.

 ©Messe Düsseldorf Tillmann

Hymer fehlt auch in diesem Jahr

Mit einer selbstauferlegten Absenz glänzt Hymer unterdessen bereits zum zweiten Mal. Was bedeutet, dass auch 2021 wichtige Marken in Düsseldorf fehlen werden. Das Argument, die Absage erfolge zum Schutz der Mitarbeiter und Kunden, will angesichts des pannenfreien Ablaufs des Salons im Corona-Jahr 2020 und der zu erwartenden Entspannung der Pandemielage nicht mehr recht überzeugen. Die erhebliche Nachfrage für Reisemobile der vergangenen Jahre macht die Entscheidung, eine Verkaufsmesse abzusagen, eher wahrscheinlich. Möglicherweise muss die Gruppe auch sparen. Nach dem Verkauf an Thor Industries wurde der Verdacht einer Umsatzmanipulation laut. Es wurden Kaufverträge gefunden, denen sich keine Fahrzeuge zuordnen ließen.

Leichter werden die Zeiten trotz oder gerade wegen der anhaltenden Rekordnachfrage ohnehin nicht für die Branche. Zwar mussten selbst gut informierte Bedenkenträger ihre Prognosen revidieren, die ein baldiges Ende der Verkaufswelle voraussagten. Bislang ist kein Einbruch in Sicht. Wenn er aber irgendwann kommt, dann wird er die Branche härter treffen als in den drei Krisen zuvor. Zunächst aber freuen wir uns auf das Caravaning-Jahr 2021, das gewiss bald wieder Ausfahrten zulässt und das geliebte Mobil zum Lieblingsort macht. Und den 60. Caravan-Salon werden wir ganz bestimmt nicht ausfallen lassen. (ampnet/mk)

ampnet Michael Kirchberger