CMT 2020: Innovatives rund ums Caravaning
Der Boom der Caravaning-Branche geht ungebrochen weiter. Auf der Messe CMT in Stuttgart kann man die neuesten Entwicklungen der Branche aktuell hautnah erleben.
Allmählich verstummen auch die ärgsten Skeptiker, der Aufschwung der Caravaning-Branche setzt sich auch nach dem Jahreswechel ungebremst fort. Zum zehnten Mal in Folge legt die Branche bei Reisemobilen und Caravans beeindruckend zu, die erste Fachmesse der Hersteller, die CMT (Caravaning, Motor, Tourismus) in Stuttgart bestätigt die anhaltende Tendenz. 2019 wurden allein 54.000 Reisemobile in Deutschland neu zugelassen, in diesem Jahr rechnet die Branche mit einem Plus von bis zu zehn Prozent. Fast 60.000 verkaufte Einheiten dürften erreicht werden.
Der Andrang auf dem Stuttgarter Messegelände ist entsprechend. Bereits lange vor Einlass scharten sich die Besucher vor den Eingängen, der Verkehr rund um die am Stuttgarter Flughafen gelegenen zehn Hallen war zuvor weitgehend zusammengebrochen. Die Aussteller freut’s, können sie ihre Neuheiten und Innovationen einer erheblichen gewachsenen Interessentenschar präsentieren, viele von ihnen gehen auf Schnäppchenjagd, denn viele Anbieter locken noch bis zum 19. Januar mit besonders preisgünstigen Messeangeboten.
Die Trends des noch jungen Jahres sind recht unterschiedlich. Weiterhin hoch in der Käufergunst stehen die ausgebauten Kastenwagen, auch Camper-Vans oder CUV (Camping Utility Vehivcles) genannt. Ihr Anteil liegt bei mehr als 40 Prozent, die meisten der Modelle, die auf dem Mercedes Vito oder dem VW T6.1 basieren, taugen auch für den Alltag und sind in vielen Fällen Zweitfahrzeug. Bei ihnen und den etwas größeren Versionen auf Basis des Mercedes Sprinter oder des Fiat Ducato ist das Angebot gewaltig und kaum mehr überschaubar.
Die Hersteller zeigen in Stuttgart neue Modelle, stärken aber auch ihre Angebote nach dem Kauf. Knaus-Tabbert etwa weitet die Kundendienstleistungen aus und nimmt zusätzlich zu den eigenen Service-Stützpunkten die Betriebe des Basisfahrzeug-Lieferanten MAN mit ins Boot. Dort werden die Mitarbeiter zurzeit geschult um auch Arbeiten an Freizeitfahrzeugen erledigen zu können, was die Zahl der Stationen deutlich vergrößert und so die Anreise zu ihnen für den Kunden verkürzt. Bislang hat Knaus-Tabbert nur ein Modell auf Basis des MAN TGE, der baugleich mit dem VW Crafter ist, im Programm. Dies wird sich vermutlich noch in diesem Jahr ändern, dem Vernehmen nach sind weitere Versionen auf dem MAN-Transporter in Vorbereitung.
Überall präsent ist die weitere Vernetzung der Freizeitfahrzeuge. Mercedes etwa macht den hauseigenen Camper Marco Polo noch kommunikativer und stattet ihn mit Sprach- und App-Steuerung für die Bedienung aus. Auf das Smart-Home folgt das Smart-Mobil, das sich per Handy aus der Ferne oder verbal unterwegs kontrollieren lässt. Selbst in Wohnwagen wie dem Tabbert Cellini halten die Sprachroboter Einzug und schalten auf Befehl das Licht, die Heizung oder die Wasserpumpe ein und aus, geben Auskunft über den Ladezustand der Bordbatterie oder die Füllstände der Frisch- und Abwassertanks.
Auch eine Innenraumüberwachung ist möglich, ebenso ein GPS-Tracking, was bei Diebstählen hilfreich ist. Die Zahl der entwendeten Reisemobile ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen, Kriminalisten machen dafür die große Nachfrage und lange Lieferzeiten der Hersteller verantwortlich. Mehr Sicherheit soll ein kameragestützte Umfeldüberwachung bringen, die Niesmann+Bischof gerade entwickelt. Ist das System scharf, meldet es den Campern, wenn sich nachts Tier oder Tunichtgut dem Reisemobil nähert und zeigt ihn auf dem Monitor. Weitere Entwicklungsstufen, bei denen dann eine Außenbeleuchtung eingeschaltet wird, sind in Vorbereitung.
In Stuttgart sind zwei weitere Tendenzen zu erkennen. Zum einen nimmt die Entwicklung der 48-Volt-Technik bei Caravans Fahrt auf. Gleich mehrere Hersteller kündigen erste Serienstarts noch in diesem Jahr hin. Diese Wohnwagen sind mit eigenen Batterien und einer angetriebenen Achse ausgestattet und sollen so den Betrieb mit Elektrofahrzeugen ermöglichen. Abgesehen davon, dass noch einige rechtliche Hürden zuvor genommen werden müssen, da ein Anhänger bislang per Gesetz und Definition keinen eigenen Antrieb haben darf, fehlt es noch an den passenden Funktionseinheiten der Zulieferer. Kühlschränke, Heizungen, Pumpen und andere Einbauten arbeiten heute generell mit 12 Volt Spannung. 48-Volt-taugliche Geräte müssen also erst einmal entwickelt werden.
Die zweite Strömung betrifft den Allradantrieb. Besonders der neue Mercedes Sprinter hat hier einen wahren Schub ausgelöst, den 4x4-Versionen begegnen die Besucher der CMT an jeder Ecke der Messehallen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den wahren Expeditionsmobilen, die auf Off-Road-Reifen hochbeinig Wüsten und Furten durchqueren können und die schlichteren Versionen, die einfach nur mehr Traktion beim Verlassen einer durch Regen aufgeweichte Stellplatzwiese bieten sollen. Begehrter Klassiker ist hier der Regent S von La Strada, den die Kunden bevorzugt als 4x4-Version ordern. Während sich dieser Camper-Van in der Premium-Klasse bewegt und um die 100.000 Euro kostet, geht das bei Karmann Mobil auch günstiger. Für 52.000 Euro offeriert die zu Eura Mobil gehörende Marke den Dexter 560 4x4 auf Ford Transit für gerade mal 52.890 Euro.
Aus der gleichen Unternehmensgruppe kommt der neue teilintegrierte Contura mit Aufbaulängen von 7,2 bis 7,7 Meter in vier Versionen zu Preisen ab 77.000 Euro auf Basis des Fiat Ducato. Beeindruckend ist in allen Ausführungen die Lichtkuppel über dem Fahrerhaus, die den Erlebniswert von Alpenglühen oder Sternschnuppen nochmals steigert. Während die teilintegrierten Mobile auf Rang zwei der Beliebheitsskala liegen, bilden die klassischen Alkovenmobile trotz ihres überragenden Raumangebotes das Schlusslicht. Trotzdem setzt Eura mit einer zweiten Neuheit auf diese Aufbauform und weitet das Portfolio um den Activa One 650 HS mit der beliebten Hecksitzgruppe und die beiden längs nutzbaren Alkovenbetten aus. Kostenpunkt für maximal vier Schlafplätze: 66.000 Euro.
Hymer zeigt den neuen teilintegrierten Hymertramp 680 S auf Mercedes Sprinter mit Frontantrieb und auf Wunsch mit Hubbett. Besondere Merkmale sind der ebene Innenraumboden und der 152 Liter große Kompressorkühlschrank. Als erster Hersteller startet Hymer in diesem Jahr eine eigene Chassis-Fertigung im Stammwerk, die Wohnmobile aus Bad Waldsee werden dann bis auf den Antriebsstrang komplett in Eigenregie gefertigt. Bürstner kauft die meisten Fahrwerke dagegen noch zu und setzt die Neuauflage des teilintegrierten 52.000 Euro teuren Einsteigermobils Delfin darauf. Neu ist auch der Campeo Van auf Ducato, der ab 39.000 Euro angeboten wird.
Der hellste Stern unter den Stuttgarter Premieren strahlt jedoch bei La Strada, wo die dritte Generation des Topmodells Nova debütiert. Scharniere und Knebel sind am nahtlosen Monocoque Aufbau verschwunden, Fenster und Klappen fügen sich rahmenlos in die elegante GFK-Struktur. Als Basis dient der Sprinter mit Hinterrad- oder Allradantrieb, die Preise des sieben Meter langen Premiummobils beginnen bei 107.000 Euro.
Ebenfalls auf dem Sprinter rollt die Laika M(ercedes)-Edition, die von der italienischen Marke speziell für Deutschland entwickelt wurde. 65.000 Euro kostet das teilintegrierte Siebenmeter-Mobil, im Innenraum herrscht italienische Stilsicherheit vor. Eine Nummer kleiner und dennoch teurer ist der Kastenwagen des schwedischen Herstellers Kabe, hier gibt es auf 6,4 Meter Länge ausgeprägte skandinavische Winterfestigkeit für knapp 100.000 Euro. Die polnische Tochtermarke der Schweden zeigt auf der CMT eine neue Lesart der Kastenwagen-Innenarchitektur. Der Affinity Van hat ein längs und seitlich eingebautes Doppelbett im Heck, daneben findet sich eine Nasszelle mit Toilette und Dusche. Die Dinette kann zum Doppelstockbett umgebaut werden, an Bord gibt es demnach Platz für vier zum Preis von 70.000 Euro auf Basis Peugeot Boxer und 75.000 Euro auf dem Fiat Ducato. Den nutzt auch der kleine Hersteller Rocket Camper als Basis und präsentiert darin neue, frische Ideen. Der Tisch wird nicht von einer Säule gestützt sondern hängt an einer Wandführung und zwei am Dach befestigten Gurten. Funktioniert und schafft Platz.
Ein weiterer Mercedes Sprinter steht bei Frankia, der Yukon 7.0 Lounge glänzt mit einer auffälligen Lackierung und einem modernen, weitgehend in weiß gehaltenem Innenraum. Ein Längsdoppelbett, Dusche Toilette und Pantry gibt es ab 80.000 Euro. Eher exotisch ist dagegen der Apero von Skydancer, ein integriertes Mobil auf Ducato Basis, dessen Dach über dem erhöhten Fahrerhaus und der Sitzgruppe komplett nach hinten geschoben werden kann und den sieben Meter langen Wagen zum Cabrio macht. 128.000 Euro werden für das auffällige Wohnmobil fällig.
Schrullig geht es bei den Caravans weiter. Lamencelle stellt in Stuttgart die Liberty Wohnwagen im Retro-Design vor, die an Pferdekutschen aus vergangenen Zeiten erinnern (ab 25.000 Euo). Minimalistisch ist der GoPod geraten, ein 4,2 Meter langes und nur gut zwei Meter hohes Gefährt, das nur mit Hubdach Stehhöhe gewährt. An Bord ist für 15.000 Euro alles, was das Campen komfortabel macht, sogar an ein Solar-Panel ist gedacht, das Gesamtgewicht liegt bei nur 750 Kilogramm. Noch leichter sind nur die Dachzelte von Gentle Tends die mit Pressluft aufgestellt werden und das Dach sowie die Ladefläche des L 200 von Mitsubishi zum Wohnraum machen. Nur 25 Kilo wiegt die 3500 Euro teure die Konstruktion.
Das Gewicht spielt bei vielen Reisemobilen eine wesentliche Rolle, die Hersteller versuchen zur Vermeidung der erweiterten Fahrerlaubnis und Mautabgaben tunlichst unter der Grenze von 3,5 Tonnen zu bleiben. Darunter aber leidet die Zuladung. Experten schätzen daher, dass mehr als 50 Prozent der Reisemobile mehr oder weniger überladen auf Tour sind. Alko stellt das hydraulische Nachrüstsystem HY4 vor, dessen vier Stützen das Mobil auf unebenem Untergrund automatisch in die Waage stellen. Das Besondere ist die Wiegefunktion des HY4, über Sensoren ermittelt es das Gesamtgewicht des Fahrzeugs und kann sogar die Belastung der einzelnen Achsen ermitteln. Der Fahrer ist also stets im Bilde, was sein Mobil gerade wiegt. Einzige Nachteile: das System drückt selbst mit fast 70 Kilogramm zusätzlich auf die Waage und ist mit rund 6000 Euro nicht von jedem aus der Portokasse zu bezahlen.