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Mega-Trend Reisemobil - doch wo übernachten, wenn's voll ist?

In der Corona-Krise geht alle Welt mit dem Campervan oder Reisemobil campen. Das führt zu vollen Camping- und Stellplätzen. Wo kann und darf man übernachten, wenn alles voll ist?

 ©ampnet Michael Kirchberger

Der Absatz von Campervans und Reisemobilen boomt. Das freut die Branche, wenn sich viele Urlauber aufgrund der Hygiene-Vorschriften jetzt einen langgehegte Traum erfüllen und ihre Ferien auf Rädern verbringen werden. Aber die Kehrseite bleibt nicht unbemerkt. Ans Meer wollen die wohnmobilen Touristen, oder auch in die Alpen. Und dort erleben sie mittlerweile große Ungemach, sind sie doch nicht allein, sondern gemeinsam mit vielen anderen auf der Suche nach dem idealen Stellplatz. Pardon, ideal muss er schon lange nicht mehr sein. Viele, die genervt um 22 Uhr aufgeben und bei einem Gasthof um Asyl bitten oder gar den Heimweg antreten, würden sich gerne auch mit einem Plätzen in der letzten und gar nicht mehr attraktiven Reihe begnügen.

Hotspots wie Grömitz, Scharbeutz oder Travemünde an der Nordsee platzen aus allen Nähten, oftmals laufen die Reservierungsversuche ins Leere. Die Betreiber gehen schon gar nicht mehr ans Telefon, sie können sich vor Anfragen kaum retten. Auch im Süden sind Stellplätze knapp, in Oberbayern gibt es keine Offerten. Rund um den Chiemsee, am Kloster Andechs oder in Garmisch-Partenkirchen, wo sich Camper in ihrer Not auch jenseits der für Reisemobile freigegebenen Parkplätze eine Übernachtungsmöglichkeit für sich und ihr Haus auf Rädern suchen, wird von verstärkten Polizeikontrollen berichtet. Dumm nur, wenn die Beamten dann auftauchen, wenn gerade das zweite Glas Wein oder Bier durch die Kehle geronnen ist.

Dennoch muss es nicht gleich der unwirtliche und laute Autobahnrastplatz sein, der ohnehin meist von Lastwagen blockiert wird. In Deutschland zumindest gilt so etwas wie das Recht der ersten Nacht, wenn der Vergleich mit den gruseligen Hochzeits-Gebräuchen aus der grauen Vergangenheit erlaubt ist. Nutzer eines Reisemobils dürfen in ihrem Fahrzeug zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit übernachten, heißt es in der Straßenverkehrsordnung. Genutzt wird dafür kein Stell- sondern ein Parkplatz. Aber hierbei gibt es einige Hürden.

Der Parkplatz muss mit einem entsprechendem Schild (weißes „P“ auf blauem Grund, Zeichen Nr. 314) gekennzeichnet sein. Dabei gibt es Einschränkungen. Ist zusätzlich der Hinweis „nur PKW“ oder „ausgenommen Wohnmobile“ in dieser oder ähnlicher Form angebracht, scheidet diese Übernachtungsmöglichkeit aus. Sollten auf der Parkfläche Markierungen aufgebracht sein, dürfen diese nicht überschritten werden. Und wohlgemerkt: Es geht ums Übernachten. Campieren abseits ausgewiesener Plätze ist verboten und wenn jemand auf dem Parkplatz vor dem Friedhof gleich noch Stühle, Tisch und sogar den Grill auspackt, dürfte bald einen Platzverweis erhalten.

Strafen drohen obendrein. Mit Ordnungsgeldern oder Bußen von 10 bis 2500 Euro werden Verstöße geahndet, wenngleich vierstellige Beträge wohl nur in besonders schweren Fällen eingefordert werden, etwa wenn der Camper im Vogelschutzgebiet am Wald ein Lagerfeuer entfacht und all seine Freunde zur Corona-Party eingeladen hat.

 ©ampnet Michael Kirchberger

Wir bleiben beim Naturschutz. Roberto Fumarola ist Chef der Abteilung Recreational Vehicles beim Marktführer Fiat. Der Ducato ist Europas beliebtestes Basisfahrzeug für Reisemobile in Europa. Klar, dass der Italiener den Urlaub im Camper bis in den Himmel lobpreist, man könne damit immer einen Last- Minute-Urlaub machen und hätte alles All inclusive, sagt er. Aber er weist auch auf ökologische Effekte hin. In einer Studie der Universitäten Verona und Mailand wurden verschiedene Urlaubsformen auf ihre Umweltbelastung hin untersucht. Für eine vierköpfige Familie, die den klassischen Urlaub im 1000 Kilometer weit entfernten Hotel per Flugreise antritt und acht Tage bleibt, haben die Forscher hierfür den Index 100 angesetzt.

Die gleiche Personengruppe kommt in einem Reisemobil bei gleicher Entfernung und Dauer nur auf 70 Prozent davon. Wird die Reisezeit verlängert, stinkt der CO2-Ausstoß der Camper sogar auf 50 Prozent. Was vor allem auch an der erheblichen Lebensmittelverschwendung liegt, die bei den klassischen Frühstücks- oder Abendbüffets erschreckende Umfänge angenommen hat. Wobei Büffets und „All You Can Eat“ in Corona-Zeiten vorübergehend verschwunden sind.

Es müssen aber auch nicht gleich 1000 Kilometer sein, bis man einen freien Stell- oder Campingplatz findet. Und oft ist die Landschaft auch diesseits der Ferne malerisch und charmant. Bei einem kleinen Streifzug durch Mainfranken haben wir eine ganze Reihe komfortabler und vor allem nur mäßig besuchte Camps entdeckt. Einen zum Beispiel an der Mainschleife in Bestheim zwischen Miltenberg und Wertheim, direkt am Fernradweg gelegen. Selbst im Mittelrheintal, üblicherweise ein Touristenmagnet, warten die Betreiber sehnsüchtig auf Reisemobilurlauber und Wohnwagenfahrer. Der Blick auf den Loreleyfelsen am anderen Ufer des Flusses bei einem mineralischen Edel-Riesling kann sich durchaus mit dem Erlebnis am Bodensee oder dem Steinhuder Meer vergleichen.

ampnet Michael Kirchberger