Zurück

Mexikos T1-Restaurations-Experte und seine Tochter

Der Mexikaner Antonio Mujica liebt alte VWs, allen voran Bullis. Der Self-Made-Restaurations-Experte hat mehrere besondere T1 restauriert. Seine Tochter Fernanda, die quasi in Bullis aufwuchs und schon als Kind auf Teilemärkte geschleppt wurde, erzählt die Geschichte der Familie Mujica mit ihren Bullis und Käfern.

Fernanda und ihr Vater. Auf diesem Foto ist Fernanda etwa zehn oder elf Jahre alt.

 ©Antonio Mujica

Hallo Bulli-Freunde!

Ich heiße Fernanda und möchte Euch die Geschichte meines Vaters Antonio erzählen. Er ist absoluter Bulli- und Käfer-Fan und mittlerweile ein echter Restaurationsexperte. Die Geschichte begann so:

Das Familienauto der Familie meines Vaters war ein Volkswagen Käfer, 1500cc Motor, Baujahr 1968, in dem sie viel herumfuhren.

Das war Ende der 70er Jahre, mein Vater war damals zwölf Jahre alt. Für meinen Vater hieß das Auto auf spanisch: "Mi Vocho", auf deutsch "Mein Käfer". Den Zweitschlüssel dieses Käfers hat mein Vater noch heute. Leider musste der Käfer irgendwann verkauft werden.

Die Familie hatte auch einen 1957er Bulli für mehr Passagiere. Er diente unter anderem dazu, sie zu Familientreffen zu fahren: Vater, Mutter, drei Kinder, Großmutter und Tante.

Fernanda im Jahr 2011.

 ©Antonio Mujica

Bereits in den 80er Jahren entschied sich mein Vater, damals noch sehr jung, mit seinen Ersparnissen einen Bulli, Baujahr 1986, zu kaufen. Diesen haben wir viele Jahre lang benutzt.

Ende der 80er-Jahre kaufte mein Großvater einen Golf MK1 (in Mexiko hieß er "Caribbean"). Dieser Wagen hat uns bis Anfang der 90er-Jahre begleitet. Irgendwie steckte ein bisschen Vorliebe für VW in allen Familienmitgliedern.

Aber mein Vater weigerte sich seinen "Vocho"-Käfer zu vergessen und kaufte sich später einen Käfer, Baujahr 1966.

Ich bin 1989 geboren und habe noch eine Schwester namens Camila. Durch Zufall hat mein Vater im Jahr 1990 einen originalen Krankenwagen-Bulli, Baujahr 1966, gefunden, der zum Verkauf stand.

Der Krankenwagen-T1.

 ©Antonio Mujica

Dieser Wagen hatte damals einem staatlichen Sozialversicherungsunternehmen für Staatsarbeiter gehört. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Dieser kuriose Bulli hat uns viele Jahre lang begleitet und ich erinnere mich gerne daran, dass ich in meiner Kindheit viele Stunden in dem Wagen verbracht habe.

Während ich im Auto saß und spielte, kümmerte sich meinem Vater sehr liebevoll um das Auto und machte nebenbei kleine Reparaturen gemacht.

Mir war damals natürlich nicht klar, dass ich in einem Oldtimer spielte, von dessen Art es nur wenige andere auf der ganzen Welt gab.

 ©Antonio Mujica

Zu diesem Zeitpunkt war mein Vater bereits ein echter VW-Fan. Jeden Sonntag sind wir sehr früh aufgestanden und zum Flohmarkt, südlich der Stadt, gefahren. Für mich war es nicht so spannend - ich sage immer, es war kein Flohmarkt, sondern ein Friedhof für Autoteile. Nur "Schrott" überall. Damals "Schrott", heutzutage wahrscheinlich viel Geld. Warum konnten wir nicht auf den Spielplatz gehen? Ich wollte doch keine Autoteile sehen.

Damals war ich etwa acht oder neun Jahre alt. Sogar meine Mutter sagte mir, dass sie nicht verstehen könne, wie er so viel "Müll" kaufen könne. Das Haus meiner Großmutter begann sich mit alle Arten von Autoteilen und anderen Raritäten zu füllen, von denen niemand wirklich wusste, wofür sie in Zukunft verwendet werden könnten. Für uns alle war es nur Müll und das war's.

Mein Vater hat mir dann beigebracht, wie man zum Beispiel Öl wechselt und andere "wichtige" Sachen. Aber wozu würde ich sowas gebrauchen? Heute bin ich dankbar, dass ich die überlebensnotwendigen Sachen über Autos dank meines Vaters gut gelernt habe!

 ©Antonio Mujica

Danach ging es weiter mit der Restauration von Oldtimern: Er kaufte alle möglichen Bücher, die meisten über VW. Oft waren diese auf Deutsch - und das war das nächste Problem: mein Vater verstand kein Deutsch. Aber ich!

Damals hatte ich begonnen, die deutsche Schule zu besuchen, und ich war die einzige Person, die ihm helfen konnte, bestimmte Rätsel über seine Autos zu entschlüsseln. Mit acht Jahren reichte natürlich mein Wortschatz noch nicht aus, um ihm immer zu helfen. Ich versuchte aber, Wörter im Wörterbuch nachzuschlagen. Viel mehr konnte ich damals aber noch nicht.

Dieser - mit viel Liebe schön erhaltenen - Krankenwagen musste sich dann von uns für eine Zeit verabschieden. Er wurde im Jahr 1996 schweren Herzens verkauft. Mein Vater hatte damals das Geld gebraucht. Es war ihm wirklich sehr schwer gefallen, aber seine finanzielle Situation war nicht das beste und er hatte eine kleine Tochter: Mich :-)

 ©Antonio Mujica

Mein Vater wollte den T1 zunächst in Texas verkaufen und fuhr mit ihm dort hin. Doch niemand wollte ihn kaufen. Zu dieser Zeit war diese Art Fahrzeug noch nicht so begehrt wie heute...

Also fuhr er zurück nach Mexiko und verkaufte ihn dort. Der Käufer verkaufte ihn weiter, dieser Käufer verkaufte ihn nochmal weiter.

Mein Vater verlor "seinen" T1-Krankenwagen jedoch niemals aus den Augen.

Und wie man auf spanisch sagt: "El primer amor nunca se olvida." ("Die erste Liebe vergisst man nie."). Ende der 90er Jahre kaufte mein Vater den Krankenwagen-Bulli wieder, als der damalige Besitzer Geld brauchte.

Der damalige Besitzer namens Fernando Mendoza hatte ihn über Jahre stehen gelassen, und er war (unter anderem) verrostet. Teile fehlten und so weiter.

Der Super-VW-Held Antonio ließ seine große Liebe nicht im Stich - mit viel Liebe restaurierte er den Bus im Jahr 2009 komplett im Originalzustand, diesmal aber mit einem neuen Blaulicht, das ich in Deutschland gefunden hatte.

Antonio mit seinem T1 bei dem VW-Treffen.

 ©Antonio Mujica

Der Krankenwagen wurde bei einer der größten VW-Veranstaltungen Mexikos im VW-Werk in Puebla vorgestellt. Dort erhielt der Bulli die Auszeichnung für "das beste Auto der Veranstaltung". Das war ein Preis, den sich mein Vater nie erträumt hätte, denn es gab auch einen Käfer Kabriolet 1952 in sehr gutem Zustand und andere Oldtimer mit Geschichte. Die Auszeichnung wurde vom VW-Werk selbst vergeben, weil es sich (so die Jury) um ein extrem seltenes Fahrzeug handelt, das unter solchen Bedingungen, mit hervorragenden Restaurierungsarbeiten und in einem hervorragenden Erhaltungszustand selten zu finden ist.

Im Jahr 2017 verkaufte mein Vater den Wagen erneut. Und lustigerweise heißt der Käufer auch Fernando Mendoza. Es ist aber nicht der selbe Mann Dieser Fernando, der heute den Wagen besitzt, ist auch ein großer Fan von Bullis und arbeitete für das Rote Kreuz in Mexiko. Er passt auf den Krankenwagen liebevoll auf.

Camila, Fernandas Schwester, Antonio und der T1 Samba.

 ©Antonio Mujica

Die Liebe meines Vaters zum Bulli endete aber nicht bei dem Krankenwagen . Ein sehr guter Freund meines Vaters verkaufte ihm seinen T1 Samba, Baujahr 1959, 23 Fenster. Auch diesen restaurierte mein Vater im Jahr 2009 in seinen ursprünglichen Zustand.

Sowohl der Krankenwagen als auch der Samba waren und sind ein sehr wichtiger Teil seines Lebens, da sie Türen öffneten, die er sich nie hätte vorstellen können. Studiert hat mein heute 53 Jahr alter Vater Rechnungswesen und er arbeitet zurzeit für eine Bank.

Restaurieren ist nur sein Hobby, er macht das nach der Arbeit oder am Wochenende. Dafür hat er sich eine Halle gemietet, und dort macht er die Restaurierungen.

Szene aus der Fernsehshow.

 ©Antonio Mujica

Noch eine kuriose Geschichte: Als das VW-Werk in Bundesstaat Puebla sein 50-jähriges Jubiläum in der Automobilproduktion feierte, wurde mein Vater kontaktiert, um an einer Reality-Show im Fernsehen namens "El VW de tu Vida¨ ("Der Volkswagen deines Lebens") teilzunehmen. Es ging um fünf Geschichten über Leute, die einen VW in der Vergangenheit besaßen und aus irgendeinem speziellen Grund sich von dem Wagen trennen mussten.

Die Aufgabe meines Vater war, zusammen mit seinem Team, den gleichen Wagen zu finden oder ein ähnliches Modell und dann dieses Auto so gut wie möglich in originalem Zustand für die Besitzer als Überraschung zu restaurieren. Das Team, das man im Fernsehen sehen konnte (der Lackierer, der Kfz-Meister und so weiter), sind die Leute, die heute mit meinem Vater zusammen eigene und fremde Oldtimer restaurieren.

In Antonios Werkstatt.

 ©Antonio Mujica

Alles, was zunächst nur ein Hobby war, hat sich so großartig und unerwartet entwickelt, dass er heute in den Oldtimer-Kreisen in Mexiko bekannt für seine hervorragende, liebevolle und leidenschaftliche Art und Weise der Restaurationsarbeiten, ist. Bei ihm sind die kleinsten Details und die Leidenschaft in der Arbeit mit Restaurationen das, was am wichtigsten ist.

Wer noch mehr über die Restaurierungen von Antonio erfahren will, kann dies auf seiner Facebook-Seite oder auch auf Instagram tun.

Autos und Busse waren übrigens schon einige Generationen vor meiner in den Genen meiner Familie: Der Großvater meines Vaters mütterlicherseits war ein Ingenieur, der einen Abschluss in den Vereinigten Staaten gemacht hatte. Er fühlte sich dort etwas einsam, nostalgisch, irgendetwas fehlte ihm.

Die Chauffeurs-Lizenz des Urgroßvters aus dem New York der 1920er Jahre.

 ©Mujica

Also entschied er sich, nach Mexiko zurückzukehren und in der Zwischenzeit ein Patent für Busse anzumelden, das heute noch gültig ist (obwohl es für uns heute "normal" erscheinen wird, das Patent besteht aus der Unterbringung der Koffer und des weiteren Gepäcks der Passagiere unter den Sitzen, zwischen den Achsen der Räder). Damals entwarf und registrierte er in den Vereinigten Staaten diese Entwicklung, weil damals das Gepäck noch außen auf dem Dach der Busse transportiert wurde. Das Gepäck konnte dann nur mit einen Leiter erreicht werden. Es war kompliziert und teilweise gefährlich.

Meine Großmutter erzählte uns, dass er das Patent mit Erfolg verkaufte und danach nach Mexiko zurückkehrte. Dort kaufte er einen Bus und gründete eine Route durch Mexiko, mit der er eine Verbindung von Mexiko-Stadt nach Guadalajara öffnete. Diese führt über sehr schöne Orte, die unser geliebtes Land zu bieten hat.

Ich glaube, dass mein Vater und seine Geschwister etwas von der Natur geerbt haben, die meinen Urgroßvater und meine Großmutter auszeichnete. Sie sind kreativ und immer unruhig.

 ©Antonio Mujica

Hier noch einige Bilder von andere Restaurierungen:

Für die Firma Hasbro, ein VW Käfer als Bumblebee, der als Werbung in Mexiko für den Film diente.

Auf diesem Bild sieht man "Bumblebee" vorher.

 ©Antonio Mujica

Und so sah "Bumblebee" nach der Restaurierung aus.

 ©Antonio Mujica

Ein VW Käfer, Baujahr 1955, der 46 Jahre bei einem Haus vergessen herumstand. Der Besitzer war leider gestorben und sein Sohn hat meinem Vater den Auftrag gegeben, das Auto wieder fit zu machen. So sah der Käfer vorher aus.

 ©Antonio Mujica

Und so sah er nach der Restaurierung aus.

 ©Antonio Mujica

Der T1 Krankenwagen, Baujahr 1966, beim "Eleganzwettbewerb" in Huixquilucan, Mexiko Stadt.

 ©Antonio Mujica

In der Fernsehsendung "Wheeler Dealers" mit Mike Brewer.

 ©Antonio Mujica

Der T1 Samba 1959 als Hochzeitsauto.

 ©Antonio Mujica

T1 beim Bulli-Treffen in Mexiko Stadt.

 ©Antonio Mujica

So, das war es. Mein Vater macht natürlich weiter. Und er hat schon die nächsten Restaurations-Projekte am Laufen. Ich hoffe, die Geschichte von meinem Vater und seinen Bullis und Käfern hat Euch gefallen. Ich wohne übrigens seit 2011 in Berlin.

Viele Grüße an alle Bulli- und VW-Oldtimer-Freunde,

Fernanda Mujica

von Gerhard Mauerer