Die Rückkehr des legendären Plattenwagens von 1946
Für die Techno Classica hat Volkswagen Nutzfahrzeuge sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Die Marke lässt den sagenumwobenen Plattenwagen des Jahres 1946 wieder auferstehen.
Experten von Volkswagen Nutzfahrzeuge haben mit seltenen Originalteilen aus den 1940er-Jahren den ersten Plattenwagen rekonstruiert. In der frühen Nachkriegszeit waren die Plattenwagen im Volkswagen Werk Wolfsburg für interne Transportaufgaben konzipiert worden. Das Nutzfahrzeug lieferte wahrscheinlich auch erste Impulse für den Transporter T1.
Volkswagen Nutzfahrzeuge zeigt den neu aufgebauten Plattenwagen erstmals auf der Techno-Classica in Essen (Halle 3, 12. – 16. April) und beim VW Bus Festival in Hannover (23. – 25. Juni) zeigen. Auf der Techno-Classica feiert zudem ein Unikat seine Messepremiere: Der für den Einsatz im Hochgebirge gebaute T1 Raupen-Fuchs aus dem Jahr 1962.
Der neu aufgebaute Plattenwagen schlägt eine Brücke über nahezu achtzig Jahre, da er eine detailgenaue Rekonstruktion der Urversion dieses Transporters ist: Die Plattenwagen wurden ab 1946 – Volkswagen unterstand noch der britischen Militärregierung – mit Teilen des Typs 82 („Kübelwagen“) und des Käfers Typ 1 gebaut. Ursprünglich als Provisorium konzipiert, wurden die letzten Plattenwagen noch bis in die 1990er-Jahre hinein in den Werken eingesetzt. Wie viele dieser heckgetriebenen Fahrzeuge entstanden sind, ist nicht genau belegt, da es sich um keine offizielle Serienentwicklung handelte. Aus dem Jahr 1946 existiert, soweit bekannt, nur noch ein modifiziertes Exemplar, das sich bei einem Sammler in der USA befinden soll. Umso wichtiger war es dem Team von Volkswagen Nutzfahrzeuge, dieses Urmeter der Marke exakt so wie vor 77 Jahren neu entstehen zu lassen.
Historisch betrachtet könnte der Plattenwagen auch einer der Impulse für eine der größten Ikonen der Automobilgeschichte gewesen sein: des Transporter T1 (Volkswagen Typ 2). Konstruktiv verbindet beide Fahrzeuge auf jeden Fall der im Heck angeordnete Vierzylinder-Boxermotor. Der jetzt im neu aufgebauten Plattenwagen eingesetzte 1,1-Liter-Motor stammt aus dem Jahr 1944 und entwickelt eine Leistung von 18 kW/25 PS. Die Kraftübertragung an die Hinterachse erfolgt über ein 4-Gang-Getriebe, das zwischen 1943 und 1944 hergestellt wurde.
Auch alle weiteren VW-Serienteile – der gekürzte Rahmen des Typ 82 („Kübelwagen“), der Tacho, die Achsen, Räder und Radkappen sowie die Scheinwerfer, die Rückleuchten und der Tank – wurden zwischen 1940 und 1946 produziert. Die seltenen Original-Teile stammen aus den Beständen der Stiftung AutoMuseum Volkswagen sowie von Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer und von privaten VW-Sammlern.
Geboren wurde die Idee zum Aufbau eines Plattenwagens in der Urversion 2018 – maßgeblich angestoßen von Gerolf Thienel, dem Technikhistoriker von Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer. Unterstützung fand er sowohl bei seinen aktiven als auch pensionierten Kollegen sowie den Mitgliedern von „VWN Oldtimer Aktiv“ aus dem Freundeskreis der Stiftung AutoMuseum Volkswagen. Zudem wurden Zeitzeugen befragt, die den Plattenwagen noch im Einsatz erlebt hatten. 2020 lief das Projekt an.
Eine der Herausforderungen: Es gab keine Originalzeichnungen mehr vom Plattenwagen – nicht zuletzt auch deshalb, weil es nie einen Volkswagen Entwicklungsauftrag (EA) mit einer entsprechenden EA-Nummer für den nur im Werk genutzten Transporter gegeben hatte. Kurzerhand kehrte ein Volkswagen-Ingenieur aus dem Ruhestand zurück an seinen Rechner und übertrug diverse Fotos und die Maße noch existierender Fahrzeuge in ein CAD-Programm (computer-aided design), damit das Team den neuen Plattenwagen exakt rekonstruieren konnte. Neben den alten Bauteilen wurden diverse Komponenten neu angefertigt. Dazu gehören der in der VWN-Entwicklung aufgebaute Rohrrahmen, die Blechteile und die Elektrik. Aus einem Wald in der Nähe des Wolfsburger Volkswagen Werkes stammen die neuen Holzbretter für die Ladefläche des Plattenwagens.
Klar war aufgrund der recherchierten historischen Maße, dass der neue Plattenwagen den Dimension der 1946er Urversionen folgen sollte. Da die Fahrzeuge damals von Hand entstanden, gab es stets gewisse Abweichungen in den Abmessungen. Der jetzt realisierte Radstand von 1,90 Meter ist allerdings ebenso realistisch wie die Umsetzung der 1,60 Meter breiten und 1,94 Meter langen Ladefläche. Zu den Vorzügen des Plattenwagens zählt der sehr kleine Wendekreis von sieben Metern – ideal für das Rangieren in den Volkswagen Werkshallen.
Im März 2022 war der wahrscheinlich beste Plattenwagen aller Zeiten dann fertig – zeitlich passend zum Debüt des neuen ID. Buzz. In der Hochphase der Corona-Pandemie verständigte sich das Team dann aber darauf, die Premiere des Plattenwagens erst 2023 zu feiern – auf der Techno-Classica in Essen sowie im Rahmen des internationalen VW Bus Festivals in Hannover. Hier wie dort wird der neu aufgebaute Plattenwagen eines der Highlights sein – weil er ein Gespür für die bescheidenen Anfänge der heute weltweit erfolgreichen Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge vermittelt. Der neue, alte Volkwagen Werkstransporter wird damit auch zu einer Hommage an all diejenigen, die 1946 mit großer Zuversicht aus dem was noch da war – mitunter kaum mehr als alte Wasserleitungsrohre für den Unterbau der Ladefläche der damaligen Plattenwagen – eine neue Welt entstehen ließen.
Messepremiere des T1 Raupen-Fuchs auf der Techno-Classica
Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer hat ein 61 Jahre altes Unikat zurück in den Neuzustand versetzt: den Raupen-Fuchs. Im Mai 1962 wurde dieser T1 im Werk Hannover produziert und auf die Reise zu seinem Käufer nach Österreich geschickt. Nach einer kurzen Lebensphase als normaler T1 verwandelte er sich dort unter den Händen eines Wiener Volkswagen Mechanikers in einen alpinen Spezialisten. Der Österreicher baute den Bulli zu einem T1 mit vier Achsen um – zwei davon mit einem Kettenantrieb ausgerüstet, zwei per Zwillingsreifen lenkend. Und so entstand er, der wohl geländegängigste Bulli aller Zeiten. Jetzt zeigt Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer den Offroad-Bulli in Essen erstmals auf einer Messe.
Der Konstrukteur des Raupen-Fuchs hieß Kurt Kretzner. Historische Quellen sagen, er sei ein begeisterter Skifahrer gewesen. Ihm fiel auf, dass es in den Bergen Österreichs einen Mangel an hochgradig geländegängigen Transportern gab. Solche, die für Jedermann leicht zu fahren waren und doch zur höchsten Alm locker emporsteigen konnten. „Ein idealer Helfer für jeden: Hüttenwirt, Jäger, Förster, Arzt, Wartungspersonal von Liftanlagen, Fernseh- und Rundfunkanlagen, Pipelines und dergleichen,“ wie Kretzner später in den Verkaufsunterlagen zum Raupen-Fuchs schrieb. „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ So wie es einst Ferry Porsche gesagt und getan hatte, machte es auch Kurt Kretzner. Mehr als vier Jahre konstruierte und baute der Erfinder den Gipfelstürmer. Zwei „Füchse“ entstanden wohl bis 1968, beim dritten stockte dann die Produktion. Was aber überlebte, war mindestens ein Exemplar des Raupen-Fuchs.
Unter die orange lackierte Bulli-Karosserie hatten die Wiener Tüftler vorn eine gelenkte Doppelachse mit grobprofilierten 14-Zoll-Zwillingsreifen und hinten eine ebenfalls doppelte Achse mit Kettenantrieb gepflanzt. Die Ketten waren auf 13-Zoll-Räder montiert und eine Eigenkonstruktion aus Aluminiumelementen mit zwei Zentimeter dicken Gummiblöcken zur Rettung des Asphalts. Durch die doppelte Vorderachslenkung ergab sich ein Wendekreis von nur sechs Metern – fast schon die Kehre um sich selbst. Jedes Rad war mit einer Bremse ausgerüstet. Ein automatisches Sperrdifferenzial sorgte selbst im Hochschnee für gleichmäßig verteilten Vortrieb. Die Kraft dazu holte sich der T1 aus seinem serienmäßigen 31 kW/42-PS-Boxer mit 1.493 cm3 Hubraum. 40 km/h erreichte der Raupen-Fuchs und war damit nur etwas langsamer als sein Namensgeber aus der Tierwelt.
Kurt Kretzner wollte einen Kettenwagen bauen, der sehr einfach zu steuern sein sollte. Exakt aus diesem Grund entschied sich der Mechaniker nicht für eine Lenkung über Ketten auf allen Achsen wie bei einer Planierraupe, sondern für eine Halbkette (nur auf den Antriebsachsen) und eine fast normale, wenn auch doppelt ausgeführte Vorderradlenkung. Und so bewarb der Erfinder den Raupen-Fuchs auch: „Das neue, ideale, leicht zu bedienende Raupen-Fahrzeug mit dem Sie sicher und bequem jedes schwierige Gelände meistern. Schnee, Sand, Steine, Almwiesen, Moore, kleine Bäche und Wälder können Sie mit diesem Gerät befahren.“
Gesehen wurde der Raupen-Fuchs über die Jahre selten. 1985 tauchte der T1 ein letztes Mal in Wien auf, bevor er Anfang der 1990er-Jahre vom Porsche-Museum Gmünd gekauft wurde. Irgendwann ging der Raupen-Fuchs dann in den Besitz der Bullikartei e.V. über – eine Gemeinschaft von Liebhabern der ersten Bulli-Generation. Sie starteten 2005 einen ersten Versuch, das hochalpine Spezialfahrzeug zu restaurieren. Doch aus logistischen Gründen der bundesweit verstreuten Vereinsmitglieder konnte die Restauration leider nicht vollendet werden.
Ende 2018 kam der Raupen-Fuchs in die Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer. Das Ziel: Der Raupen-Fuchs sollte wieder auf die Piste zurück. Unter ihrem Leitmotiv „Erinnern. Erleben. Erhalten.“ starteten die Klassik-Experten deshalb einen aufwendigen Neuaufbau. Die 61 Jahre alte Karosserie wurde, wie bei allen Werksrestaurierungen in Hannover, vom Lack befreit, instandgesetzt, KTL-beschichtet und im weitgehend originalen Orangeton neu lackiert. Mattes Orange deshalb, damit – so die Intention damals – der Raupen-Fuchs in der schneebedeckten Landschaft sofort erkennbar war. Das Team von Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer versetzte auch die Technik in den Neuzustand. Ebenso den Innenraum. Dort konnte das Team seiner Kreativität freien Lauf lassen, da es keine belastbaren Vorgaben gab. Buchen- und Kiefernhölzer wurden individuell an den Raum im Raupen-Fuchs angepasst und praktische Werkzeughalterungen installiert.
Bulli Liebe geht durch den Magen
Eine beliebte Tradition auf der Techno Classica ist für viele Messebesucher:innen, am Currywurst-Bulli – einem 71er T2 – den kulinarischen Klassiker, die legendäre „Volkswagen Currywurst“ zu genießen. Die dazu passenden kühlen Erfrischungen können am 64er T1 BECK’s-Bulli in Halle 4 bei den Clubständen geordert werden. Wer lieber Kaffeespezialitäten stilecht von der T1 Kaffee-Pritsche genießen will, der bleibt einfach auf dem Gemeinschaftsstand in Halle 3.
Die lieben Nachbarn in Halle 3
Das gemeinsame Credo der Marken aus dem Volkswagen Konzern - Volkswagen Classic, Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer, Audi Tradition, Škoda, die Autostadt, die Stiftung AutoMuseum sowie Volkswagen Classic Parts - lautet in diesem Jahr: „Leidenschaft verbindet“.
Die Techno-Classica findet vom 12. vom 16. April in Essen statt. Mehr Informationen zur Messe sind unter www.siha.de zu finden.