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10. European Bug-In in Chimay: Drag-Race und wallonische Versuchung

Das European Bug-In in Belgien ist kein normales Bulli- und Käfertreffen. PS und Drag-Racing mit alten Volkswagen steht dort im Mittelpunkt. Bernd Bohle war dieses Jahr dabei, war richtig von den Socken und berichtet hier für Euch.

Beim European Bug-In in Belgien.

 ©Bernd Bohle

Hallo Bullifreunde!

Auch wenn die Messe medial über das 10. European Bug-In schon gelesen scheint, so wirkt dieses Happening bei mir immer noch nach. Der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Es war mein erstes Mal! Dementsprechend habe ich diese Premiere vor Ort reichlich zelebriert und verspüre das dringende Bedürfnis, meine Erlebnisse im belgischen Chimay auch schriftlich festzuhalten.

Angefangen hatte alles am Silvesterabend 2023, als wir mit der Familie zusammensaßen und alle Wünsche an das Folgejahr auf ein Blatt Papier schrieben, dieses in eine sogenannte Wunschrakete (Flasche als Flugkörper getarnt) steckten, um dann zwölf Monate später zu schauen, welche davon in Erfüllung gegangen sind.

Ich steuerte den Satz "Mehr klassische Bulli-Events besuchen" bei und sicherte mir dann im neuen Jahr gleich eine Karte für das European Bug-In. Auch wenn die Überlegung stets vorhanden war, mit dem Bus dorthin zu fahren, so hielt mich der Gedanke an die berechnete Reisezeit mit einem normalen Pkw von schon knapp sechs Stunden sowie der begrenzte Jahresurlaub stets davon ab. Trotzdem "Machen", hieß die schriftlich festgehaltene Devise, und so buchte ich fast zeitgleich ein Zimmer in der Nähe des Veranstaltungsortes - in weiser Voraussicht, um die Fahrt und den ganzen Input wenigstens nachts in Ruhe verarbeiten zu können. 

 ©Bernd Bohle

Am 29. Juni war es dann endlich soweit und es ging in aller Frühe mit dem vollgetankten Passat auf die Autobahn in Richtung Westen. Die Fahrt entpuppte sich trotz der Länge als recht angenehm, da keine Staus zu bezwingen waren und mich die Menge an Bildern der Vorfreude rund um die belgische Gemeinde, die nahe der Staatsgrenze zum benachbarten Frankreich liegt, gut abzulenken schien.

Mein Ziel, der Circuit de Chimay - eine Motorsport-Rennstrecke, die bereits 1926 auf öffentlichen Straßen angelegt wurde und sich ursprünglich über eine Länge von über zehn Kilometer erstreckte. Seit 1992 werden jedoch die Rennveranstaltungen auf einer verkürzten Variante im Ostteil des alten Kurses ausgetragen, wie das seit zehn Jahren hier etablierte und nun von mir angesteuerte European Bug-In. So wird der Kurs und dessen Peripherie alle zwei Jahre zur Pilgerstätte der Volkswagen- und Drag-Race-Liebhaber aus aller Welt.

Ihren Ursprung hat die Show im Jahr 1968 beim Bug-In auf dem Orange County International Raceway in Kalifornien. Hier trafen sich erstmals die VW-Clubs des Landes um beim Drag-Racing, einem Slalomkurs oder den Show-and-Shine-Wettbewerben zu messen. Mit zunehmender Beliebtheit kam auch die Idee auf das Bug-In auszuweiten. Unter anderem mit EMPI als Sponsor, konnte mit zuletzt mehr als 5000 Besuchern, sowie 2000 luftgekühlten Autos auf einem 120.000 Quadratmeter großem Gelände bei bestem California-Feeling das European Bug-In seit dem Jahr 2007 ein würdiger Ableger auf dem europäischen Kontinent im belgischen Chimay geschaffen werden.

 ©Bernd Bohle

Nach 550 Kilometern Autobahn und belgischen Landstraßen, an deren Geschwindigkeitsbegrenzungen ich mich erst einmal gewöhnen musste, darf ich sie dann auch einatmen, die gute Wallonische Luft der Provinz Hennegau. Mein erster Weg führt mich jedoch zu meiner Pension im Örtchen Couvin, und der Erkenntnis, dass von meinem Schulfranzösisch nicht wirklich viel übriggeblieben ist. Man verständigt sich aber irgendwie doch und ich erhalte zumindest schon mal die Schlüssel, ohne mich jedoch nach der Fahrt frisch machen zu können.

Egal, der Circuit lockt und das Adrenalin richtet mich auch ohne den Kopf unter Wasser gehalten zu haben ordentlich auf. Ich rolle in Chimay ein, folge den Schildern und den Luftgekühlten, um zur Rennstrecke zu gelangen.

Der erste Stau dieser Reise beginnt an der Einfahrt, ist jedoch nur von kurzer Dauer. Die Mitarbeiter sind äußerst geübt und lotsen trotz fehlender Englischkenntnisse alle Ankömmlinge geschickt durch das Nadelöhr. Ich kann heraushören, dass für mich in einem normalen Pkw die rechts abgehende Seitenstraße vorgesehen ist.

Der Zeitpunkt ist gut gewählt, denn diese füllt sich zunehmend auf beiden Seiten mit parkenden Autos und lässt den Gehweg für später eintrudelnde Gäste immer weiter werden. Ich klemme mir meine Kameras an das Halfter und folge bei strahlendem Sonnenschein und knapp 30 Grad den Motorgeräuschen.

Einer der drei ausgewiesenen Campingplätze liegt auf meinem Weg. Hier bekomme ich schon einen kleinen Vorgeschmack darauf, was mich noch erwarten wird. Bullis und Käfer mit diversen europäischen Kennzeichen und individuellem Tuning liefern mir die ersten Jubelmomente.

Wieder auf der Straße muss ich aufpassen nicht überfahren zu werden. Noch rollen allerlei Lufti-Fabrikate des Wolfsburger Konzerns auf das weitläufige Gelände. Nicht wenige davon auch gleich direkt auf den Platz des Geschehens, um sich der breiten Masse präsentieren zu können. Direkt im Getümmel bin ich fast überfordert mit den Eindrücken, die auf mich einprasseln. Der wabernde, gemeinschaftliche Flat4-Sound sowie die Masse an Menschen und Fahrzeugen treiben mich auf den höchsten Punkt der festen Infrastruktur. Auf dem Dach des Organisations-Gebäudes kann ich durchatmen und mich erst einmal orientieren.

Der Plan steht: Zunächst durch die Boxengassen, dann über die Händlermeile zurück. Aber wo ist die Rennstrecke? Learning by Doing, oder besser eins nach dem anderen! Die Straße, an der sich die Boxen der Drag-Race-Teams befinden, ist schon mal ziemlich sehenswert. Hier werden Käfer und Busse zu Höchstleistungen getrimmt und für ihren großen Auftritt herausgeputzt. Die Händlermeile ist riesig und deren Komplettbegehung verlangt mir unter der brennenden Sonne einiges ab. Hier findet man alles was der Käfer- oder Bullifahrer so begehrt. Neben den Ersatzteilen hat es mir vor allem die Dekoration angetan. Aufkleber, Bobbleheads, alte Kühlboxen oder BMX-Fahrräder aus den 80er Jahren hinterlassen in meinem Gesicht ein breites Grinsen, wobei es breiter eigentlich kaum mehr werden kann, da die Vielzahl an einzigartigen Bussen schon ihr nötiges dazu beigetragen hat. Patina und Fuchsfelgen soweit das Auge reicht, wenn man es denn bei den reflektierenden Show & Shine Varianten überhaupt noch aufbekommt. Einfach herrlich was sich hier alles tummelt. Seien es die Dudes von der Schraubergemeinschaft "Radikalbugz", die Mitglieder des VW-Clubs "Kronenbus" oder die inzwischen zur Community gewachsenen Hardmood's rund um den Youtuber Daniel Hartmut Steffen.

 ©Bernd Bohle

Nachdem ich mich mit einer Art "Franglais" durchgefragt habe, weiß ich endlich, wo die Rennstrecke zu finden ist. Große Tribünen links und rechts der Viertelmeile verheißen mächtig Stimmung, wenn die motorisierten Gladiatoren hier gegeneinander antreten. Und so ist es auch, als die ersten Bugs nebeneinanderstehen und auf die Signale der Startampel, beziehungsweise des Christmas Tree, warten. Brüllend rasen die sonst so PS-armen Autos unter tosendem Applaus los und hinterlassen ordentlich Gummi sowie Qualm auf der Strecke. Ich kann in sekundenschnelle verstehen, wie man sich für diese Art des Motorsports begeistern kann.

Insbesondere als der Kultbus „Oklahoma Willy“ seinen großen Auftritt hat, avanciere ich zum Drag-Fan. Das Jet-Triebwerk auf der Ladefläche ist ordentlich laut und lässt mich schnell die extra dafür mitgebrachten Ohrenstöpsel einführen. Atemberaubend, wie dieses Bulli-Monster mit einer Schubkraft von 5000 lbs feurig am Horizont verschwindet. Ein Highlight, das hier im Laufe der Jahre schon zum Kult avancierte.

Doch die Kräfte meiner inneren Turbine sind erschöpft. Jetzt heißt es zunächst pausieren und endlich ins Zimmer einchecken. Wohltuend und vom Timing her perfekt, da inzwischen ein Regengebiet triefend über das Land zieht. Der Hunger nagt und ich fasse den Entschluss noch einmal zurückzufahren, an einer der vielen Imbissbuden etwas zu essen und dem abendlichen Treiben der Teilnehmer beizuwohnen. Leichter gedacht als getan, denn die Fête de la Musique im Zentrum von Chimay führt zu etlichen Straßensperrungen und mich zu schierer Verzweiflung, denn das Navi braucht etliche Kilometer, um mich letztendlich an einem abgelegenen Punkt oberhalb der Rennstrecke stranden zu lassen. Zum Glück haben die freundlichen Securities ein Einsehen und gewähren mir auch dort den Einlass. Doch gegen 18:30 Uhr haben bereits fast alle Verkaufsstände geschlossen und der abklingende Regen hat auch die Teilnehmer in ihre Busse und Zelte verbannt. Dann Schluss für heute! Ein Hot Dog an der Tankstelle wird zum Abendmahl, bevor ich mich in mein Grand-Lit begebe und die wieder auf das Dachfenster prasselnden Schauer als Gute-Nacht-Musik durchgehen lasse.

 ©Bernd Bohle

Am nächsten Morgen führt der Weg an den Frühstückstisch, der sich zu meiner Überraschung inmitten des privaten Wohnzimmers des Gastgebers befindet. An der Tafel sitzt bereits ein älteres Ehepaar, das mich auf Französisch nach dem Grund meines Aufenthaltes hier fragt. Schnell kommen wir ins Gespräch und schwenken um ins Deutsche, da die Dame gebürtige Österreicherin ist und damals, wie sie erzählt, aus Liebe zu ihrem Mann mit dem VW Käfer nach Frankreich migrierte. Beide große Fans der Kugelporsches kommen regelmäßig zum Bug-In, um zu bummeln und Ersatzteile für den immer noch in Familienbesitz befindlichen Käfer zu finden. Ein schöner, entspannter Auftakt bei Kaffee, Croissant und Marmelade.

Kurz ausgecheckt, treffe ich um 11:00 Uhr wieder auf dem Veranstaltungsgelände ein. Da ich mir vorher eine Alternativroute auf dem Handy herausgesucht hatte, schneller als am Vorabend. Gut so, denn, einige Areale hatte ich am ersten Tag kaum erkunden können.

Mittagessen im Festzelt direkt an der Rennstrecke wäre doch was? Vielleicht, aber leider reichen meine Zutrittsrechte dafür nicht aus. Eine Bifi aus der Bauchtasche muss also reichen.

Noch einmal ohne Hektik bei gemäßigtem Wetter alle Stände in Ruhe besichtigen. Ein Bierglas der ortsansässigen Brauerei, das wegen seiner außergewöhnlichen Form und natürlich mit dem dafür vorgesehenen Inhalt zum Kult-Objekt vieler Fans des Spektakels geworden ist, kommt als 2-Euro-Andenken in meine Einkaufstasche. Noch einige Sticker vom Hayburner-Stand, dann lockt der Jubel an der Offroad-Strecke des Bug-In auf der Baja-Bugs und Buggys ihr schlammiges Unwesen treiben.

 ©Bernd Bohle

Der größte der Campingplätze ist durch die nächtlichen Wassermassen ordentlich durchgeweicht, aber für mich dennoch ein Muss, um all die wunderbaren Autos dort zu bewundern. Belgier, Franzosen, Engländer, Deutsche und sogar US-Amerikaner in trauter Gemeinsamkeit. Einzig vereint durch die gemeinsame Liebe zum Volkswagen -sSo einfach kann es sein! Auf der mit Palmen kalifornisierten Ausstellungsfläche des Platzes finden sich zudem zahlreiche Käfer im auffälligem Cal-Look.

Die hatten sich unter anderem im Rahmen der „Cal Look Caravan“ zusammengefunden, eine gemeinschaftliche Ausfahrt von Bad Camberg über Wolfsburg bis ins belgische Chimay mit Größen wie dem VW-Journalisten Dean Kirsten sowie dem Pionier des „California Look“ Ron Flemming an Bord.

Auch wenn der Käfer hier, wie der Name des Events schon verrät, eine große Rolle einnimmt, so ist sein Nachkomme, der Bulli, wohl mit den meisten Exemplaren vertreten. Wahrscheinlich spielt hier der Vorteil eines Busses ihn als Schlafmöglichkeit zum Nutzen in die Karten.

Ein Ort an dem sich eben alle Modell-Linien unter dem Nimbus der Luftgekühlten vereinen. Eine bunte, kraftvolle Szene, die sich in Chimay vollends entlädt.

Auf dem Heimweg, bei dem mich viele Busse und Käfer begleiten, lasse ich alles noch einmal Revue passieren. Was für ein Happening, was für eine tolle Organisation des Bug-In-Matserminds Frederic Peeters. Restlose Begeisterung meinerseits.

Übrigens habe ich gesehen, dass gerade die Bullifahrer auf dem Rückweg von der belgischen Polizei herausgefischt wurden. Am Abend des letzten Tages sollte man also nicht zu tief in das bauchige Chimay-Glas schauen. Prost und bis demnächst, du wallonische Versuchung.

Bernd Bohle