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Im T1 nach Indien und zurück

Ulrich Imort durchquerte im Jahr 1970 in seinem T1 den Vorderen und Mittleren Orient und erlebte als damals 22-jähriger Schiffskoch viel - einiges davon erzählt er uns in seiner Geschichte.

 ©Ulrich Imort

Beleibten Damen und Herren, die in knapp vier Monaten 38 Pfund ihres überschüssigen Fettes verlieren möchten, ein passables Rezept dafür aber nicht kennen – Ulrich Imort aus Löhne-Ort kann es ihnen verraten. Der 22-jährige Schiffskoch erlebte vom 4. März 1970 bis zum 8. Juli 1970 auf einer abenteuerlichen Reise durch den Vorderen und Mittleren Orient viele spannende Dinge, an die er auch heute noch gerne zurück denkt.

Gemeinsam mit einem österreichischen Freund legte er in einem alten VW-Bulli rund 30.000 Kilometer zurück. Er überquerte den Indus, den vor über 2000 Jahren Alexander der Große auf seinem Eroberungszug nach Osten erreicht hatte. Bis nach Neu-Delhi, der indischen Hauptstadt, kam er. Er sah und erlebte viel und hatte auf der strapaziösen Reise so manches gefährliche Abenteuer zu bestehen. Als Ulrich Imort am 4. März 1970 seinen Eltern am Pastorenholz in Löhne-Ort Auf Wiedersehen sagte, wog er genau 86 Kilogramm. Am 8. Juli, dem Tag seiner Rückkehr, zeigte die Waage nur noch 68 Kilogramm an. Der einst recht stabile Schiffskoch hatte genau 38 Pfund Körpergewicht verloren.

Auf der beschwerlichen Fahrt durch fremde unwirtliche Länder, durch Wüsten und über hohe Gebirgspässe war Schmalhans oft Küchenmeister. Denn die Rechnung des jungen Löhners, unterwegs mit seinen Kochkünsten die Reisekasse aufzubessern, ging nicht auf. Auf dem Balkan und auch im Orient war seine Arbeit nicht gefragt. "In diesen Ländern gibt es zu viele Arbeitslose, da war für unsereinen nichts zu machen", sagte er.

Ernährt von Zwiebeln und Tomaten

Und so waren er und sein Freund gezwungen, die bei Antritt der großen Reise zwar wohlgefüllte Reisekasse bis auf den letzten Heller auszuschöpfen. "In den letzten Wochen der Fahrt ernährten wir uns hauptsächlich von Zwiebeln, Tomaten und Salz", erzählte der unternehmungslustige junge Mann. Eine solche Diät, verbunden mit ungeheuren Strapazen – das zehrt an der Körpersubstanz.

Ulrich Imort, der Ende der 1960er-Jahre zur christlichen Seefahrt ging und beim Norddeutschen Lloyd anheuerte, hat schon alle sieben Meere durchkreuzt. In allen fünf Erdteilen ging er an Land. Er war in Nord- und Mittelamerika, umschiffte den Schwarzen Erdteil und war im Fernen Osten; seine Reisen führten ihn sogar bis nach Australien, dem fünften Erdteil, auf der anderen Seite des Globus.

Nur in Indien war Ulrich Imort nie zuvor gewesen. Und gerade dieses geheimnisumwitterte Land, das ihn schon als Jungen fasziniert hatte und seither das Ziel seiner Wünsche war, lockte ihn besonders. Der Schiffskoch aus Löhne wollte aber sein Traumland nicht auf dem Wasserwege erreichen; per Auto und quer durch den Nahen und Mittleren Osten wollte er sich ihm nähern.

In Istanbul verprügelt

Die abenteuerliche Reise nach dem asiatischen Subkontinent führte zunächst durch bekannte und zivilisierte Regionen. Der VW-Bulli, für nur 600 Mark gebraucht erstanden, rollte zunächst durch Österreich und dann durch Jugoslawien. Er schnurrte über die über 1.000 Kilometer lange Adriatische Küstenstraße, die als die schönste europäische Route gilt, nach Split und Dubrovnik, dem antiken Ragusa, wo eine einwöchige Rast eingelegt wurde, bezwang später die schwarzen Berge des ehemaligen Königreiches Montenegro, dessen landschaftliche Verschlossenheit sich nur auf steilen, windungsreichen, schmalen beschotterten Straßen dem Touristen öffnet. Über Skopje, die vor wenigen Jahren von einem Erdbeben zerstörte mazedonische Stadt, führte die Reise weiter durch den Nordosten Griechenlands und dann nach Istanbul.

Die Stadt am goldenen Horn, das Byzanz des Altertums, die Nahtstelle Europas und Asiens, hat Ulrich Imort indessen in wenig angenehmer Erinnerung. Hier wurde der blondgelockte Schiffskoch ob seiner langen Haare von Türken verprügelt. Doch diese wenig freundliche Aufnahme in einem sonst als überaus deutsch-freundlich bekannten Land ließ den Löhner und seinen österreichischen Freund nicht vor einer Fortsetzung der Reise zurückschrecken. Die nächste größere Station war Ankara, die Hauptstadt der Türkei. Von dort aus ging es weiter ans Schwarze Meer, das bei Samsum erreicht wurde und dann bis Trapezunt die beiden wagemutigen Reisenden aus Mitteleuropa begleitete.

60 Grad in der Salzwüste

Die anschließende Überquerung der hochgebirgigen Landbrücke zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer über enge, schlechte und gefällreiche Straßen, auf Tuchfühlung mit der sowjetischen Grenze und im Schatten des großen Ararat, auf dem nach der biblischen Sintflut die Arche Noah gestrandet sein soll, fuhren die beiden Abenteurer nach Persien, dem Land, das der Schah beherrscht. Auf gut ausgebauten Asphaltstraßen erreichten sie Teheran.

Östlich der persischen Hauptstadt begann der beschwerlichste Teil der Reise. Die große persische Salzwüste war zu durchqueren. Das ist auch im dritten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts, im Zeitalter der Raumfahrt und der ersten Mondlandungen ein gefährliches Unterfangen. Von Straße konnte keine Rede mehr sein. Schotter und Sand bildeten die Decke der reifenmordenden Wüstenstraße. Kein Baum, kein Strauch, keine Häuser, keine Menschen. So weit das Auge reichte nur Felsen und Sand. Und überall Giftschlangen, Sandvipern, deren Biss unweigerlich zum Tode führt, wenn nicht sofort ein Serum verabreicht wird.

Ein Schutzmittel gegen die tödlichen Schlangenbisse hatten Ulrich Imort und sein Begleiter aber nicht im Gepäck. Und so hielten sie sich tagsüber vorwiegend in ihrer rollenden Behausung auf, in der die Temperatur auf über 60 Grad Celsius kletterte. Das Trinkwasser in den Behältern wurde heiß. Die dreitägige Wüstenfahrt war am Tage nur in der Badehose zu ertragen. Nachts aber wurde es empfindlich kühl. Dann krochen Ulrich Imort und sein Freund in die Schlafsäcke und legten sich, ungeachtet der Giftschlangen, unter sternenklarem Himmel in den Wüstensand.

Unermesslicher Reichtum, grenzenlose Armut

Nächstes Land auf der Fahrt nach Indien war Afghanistan, wild, urwüchsig und kaum besiedelt, ein Land, in dem es auf langen Strecken hervorragende Straßen, aber keine Eisenbahnen gibt. Herat, hundert Kilometer östlich der persischen Grenze, war die erste afghanische Stadt, die die beiden Reisenden betraten. Kabul, die Landeshauptstadt, war das nächste Etappenziel. Von Kabul aus unternahm Ulrich Imort mit seinem Freund eine zweitägige Wanderung. Sie stießen auf Nomaden, von denen sie gastlich aufgenommen und mit Ziegenkäse und Fladenbrot bewirtet wurden.

Über den Khaibarpass, auf dem einst die Afghanen entscheidend ihre Unabhängigkeit gegen die Engländer verteidigt hatten, rollte der Bulli aus Löhne nach Pakistan. Peshawar, die Hauptstadt Rawalpindi, und Lahore waren Städte und Stätten, die in Pakistan besucht wurden. Beim deutschen Goethe-Institut in Lahore ließen die beiden Globetrotter auch ihr Vehikel zurück, nachdem ihnen die Einreise nach Indien wegen eines fehlenden Triptics verweigert worden war. Ulrich Imort und sein Begleiter kratzten alle Pfennige ihrer Reisekasse zusammen und stiegen auf einen Omnibus um, mit dem sie nach Neu-Delhi, dem Regierungssitz Indiens, gelangten.

Drei Tage hielten sie sich in dieser Weltstadt auf, in der unermesslicher Reichtum und grenzenlose Armut so dicht beieinander angesiedelt sind, wo die Ärmsten der Armen sich von den Abfällen der Reichen ernähren, wo täglich ungezählte Menschen in den Straßen verhungern. Ulrich Imort lernte dieses unbeschreibliche Elend auch in anderen indischen Städten kennen. Südlich von Delhi wurden die prächtigen Marmorbauten von Agra besichtigt. An einem See in der Nähe der märchenhaften Stadt schlugen die beiden Globetrotter für drei Wochen ihre Zelte auf. Sie ernährten sich von selbstgefangenen Fischen, Tomaten und Brot. Doch die unerträgliche Hitze – bis zu 64 Grad Celsius – vertrieb Ulrich Imort und seinen Freund in kühlere Regionen.

Vier Reifenschäden, das war's

Die fanden sie im indischen Norden, in Kaschmir, am Rande der mit ewigem Schnee bedeckten Achttausender des Karakorums. Shrinagar, die Hauptstadt Kaschmirs, in Abenteuerbüchern oft genannt und beschrieben, war ihr Ziel. Hier, in Shrinagar tauschte Ulrich Imort ein Paar Wildlederstiefel auf der Straße gegen ein Paar Edelsteine ein. Amethyste, Topase und anderes edles Gestein, das im indischen Norden spottbillig ist, brachte er als Andenken an dieses Tauschgeschäft mit.

Die auf ein Minimum zusammengeschrumpften Finanzen zwangen die beiden unternehmungslustigen jungen Männer, an die Rückreise zu denken. Mit dem VW-Bulli, der immerhin schon 64.000 Kilometer auf dem Buckel hatte, mussten noch rund 15.000 Kilometer nach Löhne zurückgelegt werden, die ebenfalls ohne nennenswerte Fahrzeugpanne überstanden wurden. Auf der 30.000-Kilometer-Reise hatten die beiden Indienfahrer nur vier Reifenschäden zu beheben gehabt.

Kaum heimgekehrt, schmiedete Ulrich Imort schon neue Reisepläne. Zunächst heuerte er wieder als Smutje beim Norddeutschen Lloyd an, um die Reisekasse wieder aufzufüllen. Aus einer geplanten Autofahrt nach Indien oder entlang der 15.000 Kilometer langen Küstenstraße Amerikas von Alaska nach Feuerland wurde jedoch nichts mehr. Imort lernte seine Frau kennen und hatte zunächst weniger Zeit für exotische Urlaubsreisen. In Feuerland ist er inzwischen dennoch gewesen, allerdings mit dem Schiff.

Mit freundlicher Genehmigung der "Neuen Westfälischen", Bielefeld

Ulrich Imort