Mit dem Bulli in Ungarn
Unser Bulli gleitet brav durch flaches Grenzland einem neuen Staat, Ungarn, entgegen. Es ist nicht mehr die Zeit für große Erkundungen. Unsere Reise muss ans Ende kommen.
Wir haben ja nur die zwei Wochen Urlaub. Doch nur an der Oberfläche bleibt man bei einer solchen Art zu reisen trotzdem nie. Schließlich ist man auf demselben Weg wie die Menschen des Landes, fährt durch ihre Dörfer und Städte. Die Grenze bei Szeged: Im Frühjahr erst kam Ungarn dazu, nun begrüßt uns das blaue Schild mit dem Sternenkranz der EU. Und die Grenzanlagen vom Feinsten!
Wir kommen von außerhalb des Schengen-Raums und werden entsprechend kontrolliert. Wir fragen uns, ob wir eine Vignette benötigen, wo wir doch nicht Autobahn fahren wollen. Weder geben die Hinweisschilder an der Grenzstation, noch die mitgebrachten Infos des ADAC wirklich Auskunft. Ein Reisen über die Dörfer ist wohl nicht „vorgesehen“. Mit einer Viertagesvignette für acht Euro sind wir auf der sicheren Seite.
Nach fünf Stunden Fahrt durch das westliche Große Ungarische Tiefland erreichen wir Budapest. Erst 1872 entstand die neue Hauptstadt des Königreiches Ungarn aus der Zusammenlegung der Städte Buda, Obuda und Pest.
Aus der Blütezeit der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie stammen die breiten Boulevards, Ring- und Radialstraßen, die großzügigen Plätze mit den monumentalen Prachtbauten der Akademien und Paläste im Stil der Neorenaissance. Unter anderem wurde der alte Stadtkern von Pest dafür abgerissen. Am Donauufer entstand als Ausdruck neuen Nationalbewusstseins das 270 Meter lange Parlamentsgebäude.
Wir finden den Charme vergangener Zeiten beim Besuch kleiner Cafés mit stuckverzierten Decken und dem Schlendern durch die breiten fußläufigen Einkaufsstraßen.
Die Abendsonne genießen wir an der breiten Uferpromenade der Donau. In der Dämmerung verabschieden wir uns von der Stadt, aus der wir uns den Weg heraus erfragen müssen, auf Deutsch bei den Älteren, auf Englisch bei den Jüngeren. Solange die Wegweiser noch fehlten, wies uns außerdem der Kompass den Weg nach Westen auf „Bécs“ zu, das wir bei entsprechender zweisprachiger Ausschilderung endlich als „Wien“ erkennen. An einer Raststätte ist uns unser lieber Bulli einmal mehr gemütliches Obdach.
Am nächsten Tag erreichen wir bereits gegen elf Uhr Österreich. Bis Wien ist’s von der Grenze gar nicht weit. Dort müssen wir herausfinden, wie das mit dem Parken geht. Parkhäuser gibt’s hier nur für Fahrzeuge bis zwei Meter Höhe. Das reicht nicht.
Wir finden einen Platz in Parkzone 2, dürfen dort zwei Stunden parken, so steht’s auf einem Schild. Man muss einen Parkschein an der „Traffik“ – wir im Ruhrgebiet würden es „Bude“ nennen – kaufen, die Ankunftszeit ankreuzen und hinter die Frontscheibe legen.
Natürlich reichen die zwei Stunden nicht für Wien. Wir müssten den Standort wechseln, aber es ist kein anderer Platz für uns da. So kaufen wir weitere Parkscheine und legen neben diese eine Erklärung, in der wir um Verständnis bitten. Wir erlaufen uns wieder eine Hauptstadt. Die wunderschönen Barock- und Renaissancebauten, der spätromanisch-gotische Stephansdom mit seinen bunten Dachziegeln, die breiten Einkaufsstraßen, die Kaffeehäuser und mondänen Kaufhäuser, die Schlossanlagen und Parks, das Hundertwasser-Haus. So groß wie auch gemütlich – eine Stadt zum Wiederkommen schön.
Wieder müssen wir Abschied nehmen. Als wir zurück in das Viertel mit unserem Bulli kommen, ist es dort still geworden. Die Läden sind geschlossen, alles liegt in sonntäglicher Stille. Neben unserer Parkzeiterklärung steckt eine Rose am Scheibenwischer.
An der Autobahn Richtung Deutschland ist ein Campingplatz ausgeschildert. Wir sind im Wienerwald. Bulli abstellen, ab ins Blockhaus mit dem Fernseher. Es läuft immer noch die Fußball-Europameisterschaft. Nach lecker Nudeln zur Halbzeit und dem Unentschieden zwischen Italien und Schweden ins Bullibett.
Gegen 17 Uhr am Folgetag sind wir in Passau und hoffen auf eine Möglichkeit, das entscheidende Spiel gegen Lettland zu sehen. 30 km vor Straubing in einer netten Kneipe am Markt erleiden wir das Ausscheiden der deutschen Elf. Von der Raststätte Steigerwald geht’s frisch geduscht zur letzten Etappe. Um 19. 30 Uhr sind wir wieder in Wattenscheid.
Dieser und die nachfolgenden Artikel von Hermann Hülder sind in 2010 zuerst in der Wattenscheider Lokalausgabe der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" erschienen und wurden mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und des Autors bei VW-Bulli.de veröffentlicht.