Mit dem T6 California nördlich des Polarkreises
Mit einem California kann man immer und überall campen. Wirklich? Ja, wirklich. Heiko Wacker hat den Härtetest gemacht - im T6 California auf den Lofoten, 100 Kilometer nördlich des Polarkreises in Norwegen. Hier ist Teil eins seines Berichts.
Hallo Bulli Freunde!
Ein Tag im zeitigen Frühling, ein erster Blick aus dem Fenster des California: Schneeregen! Der Atlantik gebärdet sich mit wilden Wogen, am Glas rinnen Tropfen und Eisklumpen runter. Ach ja, klar – wir sind ja auf den Lofoten, flotte 100 Kilometer nördlich des Polarkreises. Aber warum zum Teufel tummeln sich da ein paar Surfer in den Wellen vor dem schneebedeckten Strand…? Alles sehr verwirrend an diesem Morgen …
Drehen wir das Rad ein wenig zurück, erklären wir diese skurril anmutende Szenerie, die einen handfesten Hintergrund hat – den man ungefähr mit diesem altbackenen Statement vom „Wetter und den Klamotten“ erklären kann. Ihr wisst schon, dieser Spruch, mit dem wir einst bei strömendem Regen zum Klassenausflug getrieben wurden: „Kinder! Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur die falschen Klamotten.“
Und so verhält es sich eben auch bei der Frage um die Talente des VW Bulli, der ja gemeinhin als Schönwettermobil angesehen wird. Er ist aber auch ein echtes Schlechtwettermobil, man muss einfach den erstaunlichen Talenten des Hannoveraners vertrauen. Denn was für die Klamotten gilt – es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur die falschen Klamotten – das gilt auch für einen Camper. Wir haben es ausprobiert, neulich auf den Lofoten. Nördlich des Polarkreises, im arktischen Winter: Auf der Jagd nach dem Polarlicht. Und jetzt schau ich den Wellenreitern bei ihrem eisigen Vergnügen zu. Wobei: Ver-gnü-gen …?
Also Jacke an und Stiefel – und mutig aufgerissen die Schiebetür, raus in den Wind, der ebenso steif wie nass von links an mich ranballert: Nach der schnuckelig standbeheizten Wohlfühlhöhle namens VW Bulli wirkt der Kaltluftschock belebend wie eine Tasse richtig starken Kaffees. Die Wellenreiter sind inzwischen aus dem Polarmeer gekrabbelt, grinsende Gesichter kommen mir entgegen, neoprenumrahmt. „Nö, ohne Neoprenanzug geht’s nicht. Aber sonst macht's richtig viel Laune. Außerdem hat das Wasser jetzt im März gut sieben Grad, im Sommer ist es auch nich' viel mehr“, verkündet einer mit lakonischem Schulterzucken. Sieben Grad Wassertemperatur … Brrrrr!
Aber immerhin: Norwegens Küsten bleiben dank Golfstrom eisfrei, und die atlantischen Wellen, die scheinen sich hier ganz besonders gut reiten zu lassen, die Bucht von Unstad gilt in der Szene als echter Geheimtipp. Selbst Kurse werden angeboten, wobei schon die Beschreibung auf der Homepage klar macht, dass es hier nicht um „Sonne, Sand & Badestrand“ geht, sondern ums Surfen für Leute mit Biss: „Located 68*9´North in the Atlantic ocean gives this surf destination world class waves.“ Alles klar? Trotzdem – mich zieht es nicht in die Wellen, das Wasser ist mir definitiv zu kalt. Aber anschauen tu' ich sie mir dann doch recht gern. So vom Lenkrad eines California aus, Ihr versteht?
Bereits auf der Fähre – die uns ab Bodø in Richtung Nordwesten, Richtung Stamsund, dem wohl wichtigsten Verkehrsknoten im westlichen Teil der Lofoten gebracht hatte – gab es ein bisschen Wellenspektakel. Genug für schwache Mägen – lächerlich wenig hingegen für die Schiffe der Hurtigruten, der traditionellen Postschifflinie, die die komplette Westküste Norwegens erschließt.
Streng nach Fahrplan verkehren diese kombinierten Fracht- und Passagierschiffe von Bergen nach Kirkenes, kehren dort um, und sind nach zwölf Tagen wieder in Bergen. Und weil die Schiffe an einer der wohl schönsten Küsten der Welt entlangfahren, steigen die Zahlen der mitreisenden Touristen kontinuierlich. Und so manch einer denkt an den Küstenexperten aus dem Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams: Slartibartfaß gilt als Spezialist für die Gestaltung von Fjorden, und bekam für seine norwegische Küstenlinie, die ihm herrlich krickelig gelang, einen Preis. Wenn man an Deck der Hurtigruten steht, kommt man nicht umhin, nach der zugehörigen Plakette zu fahnden, die irgendwo an das preiswürdige Wirken von Slartibartfaß erinnern soll. (Nein, natürlich gibt es diese Plakette nicht wirklich, es handelt sich hier lediglich um eine literarische Idee von Douglas Adams. Oder vielleicht doch nicht …?)
Zurück zu den Schiffen, die auch eine wichtige Rolle als Transportmittel entlang der norwegischen Küste zu erfüllen haben: Einst mussten Waren und auch Autos noch mühsam und zeitaufwändig per Kran auf Deck gehievt werden, heute geht das schnell und effizient per Luke und Lastenaufzug, zackzack! Beides befindet sich stets an der Backbordseite, also links, und ist gerade groß genug für einen Bulli – und wieder einmal schätzt man die kompakten Abmessungen des T6.
Da meint man, in engen Dörfern im Burgund, im Straßengewirr von Marrakesch oder im irischen Hinterland schon genug mit dem treuen Hannoveraner erlebt zu haben – und dann schiebt man ihn hier per Lastenaufzug in einen Schiffsbauch. Mehr oder minder auf den Millimeter, aber perfekt passend, das geht mit keinem „normalen“ Wohnmobil. Klirrend-quietschend scheuern die Pneus über den nassen Noppenstahl des Transportdecks, dann stehen wir, auf der Frontscheibe klemmt ein Zettel mit dem Bestimmungshafen: Stamsund, mit rund 1.500 Einwohnern immerhin die viertgrößte Stadt auf den 80 Inseln der Lofoten, erreichbar in dreieinhalb Stunden von Bodø aus. Na, wer sagt's denn!
All das liegt inzwischen schon ein bisschen zurück – und inzwischen wissen wir auch, wer auf den Lofoten wirklich das Sagen hat: Die Natur nämlich. Der Himmel malträtiert das Auge gerne mal mit peitschendem Grau, der Regen jagt dann waagrecht, Schirme sind folglich überflüssig und ohnedies unhaltbar im Wind. Tja! Hier, nördlich des Polarkreises, hier hat ganz eindeutig die Natur die Hosen an, bestimmt das Wetter oft genug des Menschen Tagesplan. Wir werden später noch darauf zurück kommen. Dann nämlich, wenn wir versuchen, wieder wegzukommen.
Doch warum schon jetzt an die Abfahrt denken?! So schön, wie die Sonne plötzlich glitzert über dem Meer – das geht zuweilen binnen Sekunden – und über dem Eis auf den Straßen! Eis auf den Straßen? JawollJA! Was hierzulande den kompletten Verkehr lahm legen würde, von der Bahn ganz abgesehen, juckt die Lofotinger nicht mal ansatzweise. Und uns auch nicht, der Spikes sei dank, die die Kraft der 204 Diesel-PS im Allradmodus auf die Piste nageln; kein Wunder, dass man hier noch so manchen T3-Syncro sieht. Die Fahrt auf den Eisenpieksern kann ein durchaus unterhaltsames Vergnügen sein – wobei die Spikes auch ihre Nachteile haben, kommt man auf nasse, indes eisfreie Abschnitte. Es ist zwar nicht gerade so, als würde man mit Hufeisen unterm Schuh im Freibad zu zügig ums Eck staken, geht aber doch eindeutig in diese Richtung. Aber egal – da vorne schimmert schon wieder eine vereiste Strecke.
Na gut, okay – ist ein Parkplatz, und zwar der des bekannten Wikingermuseums von Borg auf der Lofoteninsel Vestvågøy, einem idealen Anlaufpunkt im Falle miesen Wetters. Selbst der Nachwuchs dürfte hier im „Lofotr Vikingmuseum“ für eine Weile glücklich sein, gerade im rekonstruierten Langhaus, aber auch im Museum, das einen mit einem sehr neuzeitlichen Trecker begrüßt.
Immerhin begann mit solch einem Ackergerät die jüngere Geschichte der Fundstelle, kamen doch beim Pflügen historische Artefakte zu Tage – die zum Glück sehr rasch als bedeutsam erkannt wurden, auch wenn sich damals in den 1980er-Jahren wohl keiner der Beteiligten hätte vorstellen können, was aus den Pflug-Funden dereinst entstehen sollte. Heute ist das Museum eines der bedeutsamsten zum Thema, war Borg doch schon um das Jahr 500 ein religiöses wie soziales Zentrum.
Das gleich nahebei der originalen Fundstelle rekonstruierte Langhaus orientiert sich an etwas späterer Zeit, es lässt mit seinen beachtlichen 83 Metern Länge das 7. und 8. Jahrhundert wieder aufleben: Als Ort der Forschung wie als Ort der Unterhaltung, ausgelassene Wikingerfeste sind bei den Touristen äußerst beliebt, einen Link findet Ihr hier.
Einige Stunden in diesem wirklich feinen Museum zuzubringen, das macht gerade bei lausigem Wetter Sinn – stets mit dem Hintergedanken, kurz darauf vielleicht auch wieder die Sonne sehen zu können. Denn der Himmel kann hier nicht nur grau, er kann auch blau! Und zwar nicht irgendwie so „wischiwaschigroßstadttrüb“. Sondern: strahlend, klar, als ob sich irgendeine nordische Gottheit mal eben die Mühe gemacht hätte, jedes Luftmolekül einzeln durchzuwaschen. Wer sich nach reiner, frischer Luft sehnt – tiiiiiief durchatmen – hier gibt es sie.
Nun atmen auch wir durch. Das war Teil 1 des Berichts, Teil 2 folgt in Kürze!
Und zur umfangreichen Galerie geht es hier oder über den Link unter diesem Beitrag.