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Oldies, Barock und eMotionen

Die schwäbische Barockstadt Ludwigsburg hat alt und neu zusammengebracht: Im Rahmen der Automesse „eMotionen“ stellte sie ihr Schmuckkästchen, den Markplatz, für eine Oldtimer-Präsentation zur Verfügung. Rundherum zahlreiche Neuwagen diverser Anbieter und auch etliche E-Autos. „Freuen Sie sich auf einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Automobils“. So annoncierte das Referat „Tourismus und Events“ der Stadt Ludwigsburg eine „Zeitreise der Mobilität“ unter dem Schlagwort eMotionen. Wir schickten unseren Bulli-Reporter zum Termin. Hier ist sein Tagebuch.

Marktplatz und Katholische Kirche ©eba

Donnerstag, 21. April

Die Wetterfrösche warnen: Es könnte kalt werden am Wochenende. Was raten die Experten? Winterreifen „von Oktober bis Ostern“. Wie jeder weiß: Es hat auch schon nach Ostern geschneit. Auch dieses Jahr… Sollen wir den T2 mit seinen Ganzjahresreifen wegen eines lokalen Events aus der Garage holen? Wir haben es gewagt, spontan. Am Freitag.

Freitag, 22. April

Anruf bei der „Tourismus & Events“ der Stadt Ludwigsburg. Ob wir wohl noch teilnehmen könnten? David Frommer lässt uns ausrichten: „Ja, Sie dürfen mit Ihrem Oldie auf den Markplatz fahren und ihn allen Leuten zeigen, aber das Programm selbst ist abgeschlossen, da können wir nichts mehr ändern…“

Wir melden uns an und freuen uns auf das Wochenende. Sollen wir jetzt, wo die Sonne scheint, mal den Bulli aus der Garage von seinem Winterschlaf befreien? „Das könnt ihr doch auch am Samstag machen“, meint jemand, der es sehr gut mit uns meint.

Totalausfall nach Winterpause... ©eba

Samstag, 23. April

Besuch in der Bulli-Garage, Hallo mein Freund! Wie hast du die Einsamkeit von Oktober bis April überlebt? Stolze Bullis antworten nicht. Sie warten auf einen Impuls vom Akku…

Zündung ein, keine Kontrolllampe meldet sich. Die streiken!

War zu erwarten. Also: Ladegerät an die Pole geklemmt und die Zellenstopfen gelockert, von wegen Knallgas in der Hochhausgarage. Nicht auszudenken! Immerhin hat hier in der Gegend vor einigen Wochen eine Garage gebrannt und alle Autos waren futsch. Das Haus darüber übrigens auch…

Ich schließe das teure Ladegerät an, was nicht ganz einfach ist. Die Garage hat zwar Strom und Licht, aber die Schalter sind links vor dem eng eingeparkten Bulli. Was zu ersten, fast intimen Kontakten mit meinem grünen Liebling führt. Dann knickt der linke Außenspiegel um.

Skepsis beim Blick auf das Display des Ladegeräts: Keine Balken, null Volt - wir gehen mit einem schlechten Gefühl nach Hause. Vielleicht überlegt sich die Regelautomatik des Ladegeräts das nochmal über Nacht?

Sonntag, 24. April

9 Uhr.

Eigentlich wollte ich mit dem Bulli die Sonntagsbrötchen kaufen. Doch unser Bulli streikte. Das Ladegerät zeigte zwar „2 V“ an, aber am Zündschloss blieben die Lichter dunkel. Was nun, was tun?

Absagen? No go, weil der gute David Frommer sich so ins Zeug gelegt hat. Also: Google. „Akku-Hilfe, Sonntags…“ und „Batterie-Notdienst“. Die Suchmaschine wirft uns zahlreiche BOSCH-Carcenter aus. Rundruf: Man lernt, wie gut oder wie schlecht Anrufbeantwortertexte formuliert werden…

10.30 Uhr

Wozu bin ich eigentlich in einem Autoclub. Habe jahrzehntelang dort gearbeitet und auch seine Vorteile geschildert? Ob die mir helfen können? „Nein, ich brauche keine Starthilfe – der Akku ist im Eimer. Das habe ich selbst getestet. Haben Sie einen Partner, der mir helfen kann?“

Der (ehemalige) Kollege im ACE-Notruf, der mich nicht mehr kennen konnte, reagiert professionell und cool: „ Wir haben hier rund um Möglingen einige Vertragspartner. Ich nehme den Vorgang auf, werde recherchieren, wer Ihnen helfen kann und vor allem, wer eine passende Batterie am Sonntag im Vorrat hat – und der Partner wird Sie anrufen…“

Perfekter Kniefall vor dem 45 Ah-Akku ©eba

10.55 Uhr

Anruf eines freundlichen Menschen: Er stehe an der Straße, in der ich wohne, wo denn das Auto sei? Das stehe in einer unweit entfernen Garage, ob er denn die Batterie habe?

Nein, da habe er den Auftrag wohl missverstanden – aber im Betrieb gibt es viele Batterien. Er fahre hin und bringe die passende mit.

11.30 h

Der freundliche Kollege hat eine braune Zigarette im Mund, oder ist es ein Zigarillo? Er beugt sich unter die Motorklappe des T2 - hat er keine Angst vor Knallgas, das beim Akkuladen entstehen kann?

Quatsch: Wenn der Akku keinen Strom aufnimmt, kann auch kein Knallgas entstehen. In aller Ruhe löst er die Halterung des Akkus und sichert die Schraube (die mir schon mal vor Jahren davongekullert ist und seither nie mehr gefunden wurde…). Dann hebelt er den alten Akku aus der Engstelle raus und setzt den neuen ein. Schließt erst den Pluspol an – doch dieser ist zu dick. Also muss er die Klemme aufhebeln. Dann den Minuspol: „ Jetzt starten Sie mal.“

Zweimal verschluckt sich der Vierzylinder am per Pedaldruck eingespritzten Super E1. Dann hustet er und danach blubbert er nur noch vor sich hin. Das nenne ich "High-Tech Stand 1977".

Begehrt und beliebt: Die Bulli-Kekse ©eba

12.03 h

Wir warten in einer Oldie-Schlange auf die Einfahrt zum Marktplatz, man weist uns ein. Wir sollen vor der katholischen Kirche zwischen einem nicht richtig alten Mercedes und einem überlangen Chevy parken. Das wollen wir dem T2 nicht zumuten, ignorieren die in gelben Warnjacken steckenden Security-Leute und rangieren uns ein vor der evangelischen Kirche. Religionsfreiheit könnte man sagen, wäre aber Quatsch. Denn am neuen Standort können wir ein besseres Foto schießen und sind unter Freunden. Immerhin: Vier Bullis von 150 Oldtimern - das kann sich sehen lassen.

13.30 h

Viele der rund 2000 Besucher haben durch die Scheiben unseres Bulli geschaut. „ Dieses grün-gelbe Karopolster, eigentlich schrecklich, aber das war halt damals Zeitgeschmack“, sagt einer zu seiner Begleiterin. „Die mussten in diesem Auto aber unten schlafen, - bei dem anderen Grünen dort vor der Kirche, konnte wenigstens einer nach oben…“ sagt die Dame. Ja, Westfalia hat auch T2 mit Hochdach gebaut und erfolgreich in den USA verkauft.

www.Afrikatraveller.de ©Goebel

13.45 h

Wir haben Fans gefunden. Sie amüsieren sich über unsere Bulli-Kekse auf dem Armaturenbrett. „Die gibt es wohl nicht mehr, da hätte man sich gleich eine Palette sichern müssen“, sagt Ralf, der einen Licht- und Tonservice betreibt

Seine Frau: „Das würde Peter sicher interessieren“.

Wir schenken beiden einen Beutel, den wirklich vor-vor-allerletzten, den wir noch haben. Für Peter.

Es hat es verdient, denn Peter ist ein Bulli-Fan, der, zusammen mit den beiden Besuchern eine spannende Afrika-Tour absolviert hat. Bereitwillig geben uns die beiden die Adresse der Webseite, die wir sehr gerne auch unseren Lesern weitergeben, für einen Streifzug im Internet durch eine sehr spannende Afrika-Reise mit einem Landy und einem T2. www.Afrikatraveller.de

Zwei Oldies aus der Konzern-Familie ©eba

14.00 h

Die schönsten Autos dürfen sich auf einer Bühne präsentieren. Zwei Bullis rollen rauf, einer schöner als der andere. So ist das bei Oldtimern. Mein Favorit ist ein Opel P4, Baujahr 1934. Weil dieses Modell nicht kriegstauglich war, musste die Produktion auf Hitlers Befehl eingestellt werden – dafür wurde dann der KdF-Volkswagen entwickelt. Dann reiht sich ein wunderbar erhaltener DKW hinter den Bulli ein. Ein 3=6, also einer jener Zweitakter aus dem Nachkriegs-Ingolstadt, die noch ohne Kat und fein justierbare Regelelektronik fahren durften. Was uns beweist: Die später in Audi aufgegangene Konzerngroßmutter hat schon damals schöne Autos gebaut und langlebige obendrein.

von Ernst Bauer