Parkscheibe fehlt: Discounter lassen abkassieren
Nicht nur bei Sparfüchsen sind Discounter beliebt. Verlockend sind auch ihre kostenlosen Parkplätze. Das kann sich bald ändern, denn im Verbund mit Spezialfirmen sollen diese streng überwacht werden. Wer die Parkzeit überzieht, wird zur Kasse gebeten, im Zweifel sogar gezwungen.
Die Parkraumregelung der Branchenriesen ist noch nicht überall realisiert, aber schnell in die Kritik geraten. Eine kleine Rundreise zu Aldi, Netto, Lidl, Rewe und Co in der Region Stuttgart lässt erkennen, welche Strategien angewendet werden. Bei Aldi Süd in Ludwigsburg gibt es kaum eine Wand oder einen Masten, an dem nicht mit Schildern informiert und zugleich gewarnt wird: „Parken nur für ALDI SÜD Kunden. Falschparker werden abgeschleppt“ ist da zu lesen, aber auch „widerrechtlich parkende Fahrzeuge werden abgeschleppt“ steht in Kleinschrift neben dem Parkuhrensymbol. Oder: „Parken für Kunden max. 1 Std. Es gelten die Regeln der StVO.“
Bei einer Lidl-Filiale fanden wir nirgendwo einen Hinweis, alle bisherigen Schilder waren abmontiert. Wir erfuhren: Lidl wird hier neue Parkregeln einführen und dann mit neuen Hinweisen informieren. Hintergrund: Bei solchen Parkplätzen handelt es sich nicht um öffentlich bewirtschafteten Parkraum. Vielmehr kommt – mehr oder weniger stillschweigend – ein Vertrag zustande zwischen dem Inhaber der Fläche und dem Nutzer. Das wichtige Kleingedruckte bei solchen Verträgen ist für den parkenden Kunden nicht sofort ersichtlich. Ergo müssen diese Bedingungen und Regeln auch allgemein sichtbar angebracht werden. Nach bisheriger Rechtsprechung haben Hinweisschilder dieser Art genügt. In jüngster Zeit gab es aber anderslautende Urteile, etwa in einem Fall in Stuttgart, in dem ein leerstehender Parkplatz (vor einem Theater) an einen gewerbsmäßigen Abschlepper verpachtet wurde. Dieser hängte dann Zettel unter den Wischer und forderte eine Vertragsstrafe wegen unerlaubter Nutzung des Parkplatzes.
Inzwischen verpachten manche Supermärkte ihre Stellplätze sogar an private Betreiber. Die überwachen (meist mit unterbezahlten Mitarbeitern) die Fahrzeuge und die Parkdauer. Ist die erlaubte Zeit abgelaufen, verteilen sie „Knöllchen“. Dann werden zwischen 15 und 35 Euro eingefordert. Da auf Privatgelände der Bußgeldkatalog nicht gilt, können beliebige Vertragsstrafen verlangt werden und niemand kann sich dagegen wehren.
Aus diesen Zwangsgeldern werden die Kontrolleure bezahlt – und die fällige anteilige Provision, die an den Eigentümer des Parkplatzes überwiesen wird. So mancher Discounter macht hiermit ein sattes Zusatzgeschäft.
Vor diesem Hintergrund sind Plakate wie „Falschparker werden abgeschleppt“ zumindest nach Ansicht einiger Juristen nicht korrekt. Denn bevor ein Abschleppunternehmen beauftragt wird muss auch der Besitzer eines solchen Parkplatzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und demzufolge das mindeste Mittel zur Beseitigung der Störung anwenden, sagt ein Verkehrsjurist des ACE. Dies sei nicht der Haken des Abschleppautos sondern zunächst die finanzielle Keule im Sinne einer wie oben beschriebenen Vertragsstrafe.
Einige Gerichte orientieren sich bei solchen Vertragsstrafen an den Bußgeldern, die die Gemeinde von Falschparkern verlangt. Was noch wichtig ist Die Zahlungsansprüche des Parkplatzbetreibers richten sich nach dem Zivilrecht, betonen Anwälte der Allianz-Versicherungen. Dieses kennt aber keine Halterhaftung. Das bedeutet: Sind nicht Sie auf den Parkplatz gefahren und haben den Wagen dort geparkt, sondern beispielsweise eine Freundin, können Sie die Ansprüche zurückweisen. In diesem Fall sind Sie auch nicht dazu verpflichtet, Auskunft über den Fahrer Ihres Autos zum betreffenden Zeitpunkt zu geben. Dennoch empfehlen Verkehrsanwälte in der Regel, solche Bußgelder einfach zu zahlen, da der zeitliche und finanzielle Aufwand eines Einspruchs in keinem Verhältnis zum Ertrag stehe.
Wenn zum Nachweis der Parkdauer eine Parkscheibe verlangt und auf Warntafeln auch angezeigt wird, gibt es wieder eine noch nicht geklärte Frage: Ist dann die Warnung „Parken für max. 1 Std.“ überhaupt rechtens? Jeder Fahrschüler lernt, dass die erlaubte Parkzeit an dem Pfeil auf der Parkscheibe beginnt. Kommt man auf einen Parkplatz etwa um 09.04 Uhr an, ist es völlig korrekt, die Scheibe auf 09.30 Uhr einzustellen. Man kann dann als im Effekt bis 10:30 Uhr, also eine Stunde und 26 Minuten parken. Würde einer der Kontrolleure dann exakt nach der Normalzeituhr gehen, wäre eine Vertragsstrafe fällig. Hiergegen sollte man sich dann aber direkt beim Supermarktbetreiber beschweren, auch wenn dieser wohl kaum an der Fließbandkasse sitzt…
Das Computer-Magazin CHIP berichtete kürzlich von automatischen Kontrollen auf Discounter-Parkplätzen. Sensoren im Boden sollen anhand der Bewegungen die Standzeiten ermitteln und zentral verwalten. Wird zulange gepakrt, gibt es Alarm und die Verwarnung.
Der Autofahrer als Kunde hat letztlich wohl den stärksten Hebel: Da abgesehen von Lockvogelangeboten die Preise fast einheitlich sind, bleibt ihm die freie Wahl, den angenehmsten Discounter zu nutzen. Sicher wird es auch nicht lange dauern, bis ein besonders rabiater Laden in den sozialen Medien mit einem Shitstorm konfrontiert wird. Kundenfreundlichkeit beginnt schon vor der Ladentür – mit klaren Ansagen und Spielregeln für beide Partner. Einige haben das schon begriffen: Extrabreite Parkstände, abseits des Hauptverkehrs, sind bei Lidl und Aldi für Kunden mit Kindern ausgewiesen. Und Netto bietet nahe des Eingangs auch Hundeparkplätze an…