Zurück

T6 - Erster Fahrbericht

Nach der Weltpremiere im April in Amsterdam konnten jetzt die Händler im Süden Europas und zeitgleich die internationale Fachpresse rund um Stockholm die wichtigsten Modelle der neuen Generation Six, also den VW T6, ausgiebig testen. Für VW-Bulli berichtet Ernst Bauer von seinen Fahreindrücken.

Strand-Idylle wie gemalt... ©VWN

Dies ist, mit Verlaub, ein sehr persönlicher Fahrbericht. Seit meinem ersten Test mit einem NSU Prinz 1000 im Jahr 1964 habe ich viele Hundert Autos ausprobiert. Der VW-Bulli gehörte natürlich auch dazu, darunter war auch ein T2 Westfalia-Campingwagen aus dem Jahr 1977. Mit ihm konnten wir im Allgäu noch direkt am See parken und campen. Heute braucht man fast überall für Fotos oder Filmaufnahmen, die diese heile Welt symbolisieren sollen, eine Ausnahmegenehmigung. Sozusagen natürlich, denn wer will schon Autos mitten in der Landschaft haben.

Kraftvolle Bestseller bei der Arbeit ©vwn

Mein erster positiver Kontakt mit einem Bulli datiert aus dem Jahr 1960. Mit gerade mal zwei Jahren Fahrpraxis auf Standard-Käfern (unsynchronisiertes Getriebe, Seilzugbremsen) fuhr ich am Wochenende für eine Baufirma mit einer T1-Pritsche zu diversen Baustellen. In einer leicht vereisten Kurve drohte das Heck nach vorne zu schieben. Auf der Pritsche ein schwerer Kompressor, da war sanftes Gegenlenken angesagt und es ging nochmal gut. Dieses beeindruckende Fahrerlebnis kommt mir immer wieder in Erinnerung, wenn ich am Lenkrad eines Bullis sitze, - auch bei unserem 2,0-Liter-T2, Baujahr 1977 mit seiner unendlich schwergängigen Lenkung, die Einparken zum Kraftakt macht. Jeder Start des robusten Luftkühlers beginnt mit einem leichten Verschlucken und geht dann in ein sauberes Leerlauf-Blubbern über, aus dem man bequem anfahren kann.

Schwere Last - gut gesichert ©eba

Da stand sie nun, die Parade der sechsten Bulli-Generation am Stockholmer Flughafen. Natürlich wollten viele Kollegen das rot-weiße Editionsmodell „Generation Six“ fahren, als Diesel, als Benziner, handgeschaltet oder mit DSG. Eine feine Auswahl aus über 500 Varianten. Mich zog es zu einem der wenigen Transporter. Nicht nur wegen der Erinnerung. Ich wollte spüren, wie man bei der Arbeit mit dem Bulli auf Einsatz- und Dienstfahrten von der langen Entwicklung dieser zwei Millionen-Baureihe profitiert - und auch vom Wandel in der Einstellung zum Thema "Auto als Werkzeug". Der neutral-weiße Transporter (mit 4-Motion-Allrad) hatte es buchstäblich in sich: Fest verzurrt ein Käfig mit Sandsäcken. So fuhren wir mit halber Nutzlast und waren erstaunt, wie gut der 110-kW-Diesel abzog und willfährig auch bei nur noch 1500 Umdrehungen seine Arbeit verrichtete.

 ©VWN

Schon bei Einsteigen spürte ich das (mir, und wohl auch anderen) bekannte Problem: Wer 1,80 Meter misst, möchte seine Beine nicht extrem abwinkeln, - doch das lässt die Trennwand nicht zu, weil sich die Sitze nicht weiter nach hinten schieben lassen. Das störte unsere Familie auch bei einem T3-Kasten, den wir zum Reimo-Wohnmobil umgebaut hatten, weshalb wir die Trennwand mit der Flex entfernt hatten. Dann konnte sogar ein Drehsitz montiert werden.

Sauber, praktisch, nützlich ©VWN

In aller Offenheit standen Experten aus dem T6-Team den Fachjournalisten Rede und Antwort. Auf das Sitzproblem beim Transporter angesprochen, beschrieb Entwicklungsvortand Joachim Rothenpieler den Kompromiss zwischen Nutzlast und Komfort: „Es gibt im Nutzfahrzeuggeschäft immer jemand, der das Auto bestellt und jemand, der es fährt – und da gehen nicht immer beide einig.“ Es hängt also an der Ladelänge – die wiederum nicht jeder in Gänze braucht. Weil die Entwickler aber genau wissen, dass die aktuelle Fahrergeneration (und die danach) größer wurde und noch wachsen wird, tüfteln sie an einer anpassbaren Trennwand. Sie könnte schon in zwei Jahren serienreif werden.

Mehr Platz dank Hochdach ©VWN

Positiv überrascht hat mich praktisch alles, was vor den deutlich komfortableren Sitzen mit besserer Seitenführung angeboten wird. Das handliche Dreispeichen-Lenkrad mit Multifunktionstasten ist quasi die Kommandozentrale für ein sehr angenehmes Fahren. Dazu eine nochmals feinfühligere Schalthebel-Kulissensteuerung, ein auch in der einfachsten Ausführung gut ablesbares Display für Radio und Navigation, logisch angeordnete Regler für die Klimasteuerung, offene Ablagen über der Mittelkonsole und vor dem Beifahrersitz (im Testwagen war rechts eine Sitzbank mit zwei Gurten) und weitere Staumöglichkeiten in beiden Türen. VW nennt das Armaturenbrett „Schalttafel“ - erstaunlich und erfreulich, wie sauber und appetitlich hier der Kunststoff verarbeitet ist.

99 Prozent Diesel im Transporter ©VWN

Überzeugend auch das Fahrverhalten mit halber Zuladung, stabiler Geradeauslauf bei provoziertem Last- und Richtungswechsel. Ein Lob verdient auch die Innenraum-Akustik. Radio und Naviansagen sind präzise zu hören. Hinzu kommt ein umfangreiches Audio- und Bluetooth-Management, das die Nutzung von Handy, Tablet oder Laptop unkompliziert anbietet – für viele, die mit oder in diesem Transporter auch arbeiten müssen, einfach unerlässlich und hier sogar vorbildlich. Fazit: Wer seinen Transporter so ausrüstet genießt in Handling und Komfort praktisch Limousinenkomfort.

Viel Platz für fast alles ©eba

Der zweite Test über rund 150 Kilometer Landstraßen, Autobahn und durch Stockholms Berufsverkehr war im Generation Six-Bulli schon etwas angenehmer. Der Multivan fährt sich wie ein Pkw, man fühlt sich fast wie im Wohnzimmer. Wie alle Transporter nutzt er die Start-Stopp-Automatik, die in seltenen Fällen beim Anfahren am Berg allerdings den Griff zur Handbremse erfordert. Da lob und wünsch ich mir die 7-Gang-DSG-Variante. Ein unfreiwilliger, aber überzeugender Test ergab sich aus der ungeplanten Situation, dass im Fahrbetrieb die Navistimme versagte. Die vorgesehene Route verschwand auf dem großen Display und die noch zu fahrende Strecke wurde immer länger statt kürzer. Nein, es war kein Technik-Fehler, sondern das Ergebnis „spielerischer“ Kollegen, die das Navi total verstellt hatten und beispielsweise „Autobahnen meiden“ abgespeichert hatten. So landete ich plötzlich auf einer Gebührenstraße, fand aber ein Schlupfloch und blieb schließlich vor einem gesperrten Tunnel im Megastau stecken. Dank der einfachen Menüführung konnte das Navi neu justiert werden und zielsicher auch die Endstation einer spannenden und dennoch angenehmen Testfahrt finden.

Flotte Fahrt auch über Land ©VWN

Dort stand denn auch „Sofie“, der wohl älteste T1-Transporter aus dem Konzern, und zugleich das "jüngte" Kultauto des VW-Oldtimer-Teams. Mein kurzer Lichthupengruß aus markanten LED-Scheinwerfern hat sie allerdings wenig beeindruckt. Noch ein Vergleich zum Abschluss: Selbst der Ausstieg aus dem T6 ist jetzt noch leichter und eleganter möglich als aus allen Vorgängern, was die Frage nahelegt, ob der Fahrer sich wenig älter meint oder die Autos deutlich jünger geworden sind?

Ernst Bauer