Viel zu wenige Stellplätze für Reisemobile in Deutschland
Mehr als eine halbe Million Reisemobile gibt es in Deutschland - doch nur rund 4000 Stellplätze und 3000 Campingplätze. Aber es bewegt sich was in die richtige Richtung.
Viele der mehr als 30.000 Urlauber, die sich allein in den vergangenen drei Monaten ein eigenes Reisemobil zugelegt haben, machen schmerzliche Erfahrungen. Denn die Zahl der Stellplätze in Deutschland reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf an Übernachtungsmöglichkeiten auch nur annähernd zu decken. Jetzt kommen aus der Caravaning-Industrie ernste Denkansätze, um die Misere zu beenden.
In Deutschland gibt es mehr als eine halbe Million Reisemobile. Ihnen gegenüber stehen rund 4000 Stellplätze unterschiedlichster Größen und etwas mehr als 3000 Campingplätze. Würden alle zum Verkehr zugelassenen motorisierten Freizeitfahrzeuge zugleich auf Tour in Deutschland gehen, und dieses Gedankenspiel ist in Corona-Zeiten gar nicht abwegig, wären die Aussichten, ein freies Plätzchen zu ergattern, eher gering.
Aber für die Camper kommt Land in Sicht. Die Chancen, den Urlaub nicht gleich mit großem Ärger zu beginnen, steigen, denn die Hersteller ergreifen die Initiative. Nach anderen hat jetzt auch Dethleffs eine Kooperation mit der Vereinigung Landsichten angekündigt. Angeschlossen sind Bauernhöfe und Winzer, die zum Übernachten auf ihrem Terrain einladen. Das hilft beiden. Die Reisemobilfahrer finden mehr und leichter einen Übernachtungsplatz, der obendrein in aller Regel ländlich, ruhig und meist auch attraktiv gelegen ist, und die Gastgeber profitieren von der konsumfreudigen Kundschaft, die sich gewiss gerne in den Hofläden oder Weinkellern versorgt.
Gerade die Weinbauern haben die Chancen für Absatz bei der neuen Klientel entdeckt. Sie sind von den Einschränkungen in der Gastronomie und der Absage von umsatzstarken Weinfesten hart getroffen, viele haben mehr als die Hälfte ihrer Abnehmer verloren. Die Camper können dies zumindest teilweise ausgleichen, denn sie müssen beim Probieren oder beim der Brotzeit im Gutsausschank nicht auf ein Glaserl mehr verzichten. Steht doch ihr bereits gemachtes Bett direkt vor der Schänkentür. Und Mengenbegrenzungen gibt es beim Einkauf ebenfalls nicht, abgesehen von eventuellen Gewichtsproblemen bieten Reisemobile erhebliche Transportkapazitäten.
Bereits bewährt hat sich ein ähnliches Modell der Vereinigung Landvergnügen. Auch hier sind ländliche Stellplätze auf Bauernhöfen, Weingütern, Käsereien oder Imkereien zusammengeschlossen, das Übernachten funktioniert über ein Jahres-Abonnement für 34,90. Dafür gibt es eine Verzeichnis der Mitglieder und eine Vignette. Das Konzept gibt es auch in anderen Urlaubsländern. Ab 1. September beginnen 300 landwirtschaftliche Betriebe in Österreich als Gastgeber für Reisemobile unter dem Namen Bauernleben, in Frankreich heißt die Idee France Passion, in Dänemark Pintrip, in der Schweiz Swiss Terroir, in England Brit Stops und in Schweden Suedestops.
Auch der Branchenverband CIVD (Caravaning Industrieverband Deutschland) macht sich zunehmend für ein größeres Stellplatzangebot stark. Schließlich werden sich häufig wegen Überfüllung abgewiesene Neukunden nach der Pandemie vermutlich wieder ihren bisherigen Urlaubsgepflogenheiten zuwenden. Auf der CMT in Stuttgart und im Vorjahr auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf wurden bereits Richtlinien und Hilfestellungen für die Einrichtung von Stellplätzen in Workshops erarbeitet, auch auf dem diesjährigen Caravan-Salon 2020, der wegen des Corona-Virus unter strengen Hygienevorschriften vom 4. bis 13. September stattfindet, sind ähnliche Gespräche geplant.
Dagegen stellen sich bedauerlicherweise Tourismusverbände von Ländern und Regionen, die um das Geschäft ihrer gastronomischen Mitglieder bangen. Was offensichtlich zu kurz gesprungen ist. Denn häufig öffnen sich auch diese Betriebe den Campern, die kaum mehr Personal, aber deutlich höhere Umsätze bedingen. Oft ist die Einkehr bei Nutzung des kostenlosen oder zumindest preisgünstigen angebotenen Übernachtungsplatzes obligatorisch.
Was aber nicht sein muss, wie das Beispiel des malerisch am Flüsschen Ilz nahe Passau gelegenen Platzes Schrottenbaummühle zeigt. Hier reagiert die Betreiberfamilie Segl mit Kreativität auf die reduziert zugelassene Gästezahl im Wirtshaus und im Biergarten. Sie bietet den Wohnmobilfahrern ihre kulinarischen Bestseller Forelle aus dem Fluss oder Schweinshaxe in Dunkelbiersoße als Variante von Essen auf Rädern auch außer Haus an. Wobei der Campingtisch vor dem eigenen Mobil im landschaftlich äußerst reizvollen Ilz-Tal von kaum einer prunkvoll gedeckten Tafel überboten werden kann.