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Von der "Campingbox" zum Komfort-Reisemobil

Fahren, wohnen, essen und schlafen - mit der grenzenlosen Freiheit im eigenen Hotel auf Rädern begeistert der Bulli Reisende bereits seit den 50er-Jahren.

T1 (bis 1967) Campingbox. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Schick sieht sie aus, die "Campingbox" von 1951: So wurde die Bulli-Sonderausstattung getauft, die bei Westfalia in Wiedenbrück auf Wunsch eines in Deutschland stationierten britischen Offiziers kreiert worden war.

Seine Bestellung war einfach: Ein VW Transporter mit Wohneinrichtung. Sie sollte ordentlich im Bulli verbaut und gleichermaßen als Schlaf-, Wohn- und Arbeitsraum geeignet sein.

Man nahm also einen Bulli, verpasste ihm zwischen B- und C-Säule eine Doppeltür, und installierte hinter den Vordersitzen variable Möbel und Dekoration. Zum Beispiel hübsche Scheibengardinen, nett angerüscht und passend zum Karomuster im Interieur. Eine echte Zeitgeist-Kombination. Schlafcouch, Klapptisch, Sitzbank, Jalousieschrank und Sideboard komplettierten das Ensemble im Innern des Bullis.

T1 (bis 1967) Campingbox, Innenraum. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Das Ergebnis war so gelungen, dass die Campingbox bald in Serie produziert wurde und der Bulli zum Traumwagen der 50er-Jahre geriet, denn es handelte sich um ein Multitalent.

Verwendbar als Hotel auf Rädern, unterwegs zur "Endstation Sehnsucht" am nächsten Weiher, an die Ostsee oder an die Adria. Oder - wie die meisten anderen Bullis - im Einsatz als unermüdlich rackernder Transporter für den Wandel der jungen Republik durch Handwerk und Handel.

Denn: Die Campingbox ließ sich mit wenigen, gezielten Handgriffen aus dem Bus entfernen und gab den Raum zwischen Motor und Vordersitzen frei für fast jede andere Verwendung.

Reisemobile T1 (bis 1967) Campingbox und T4 (bis 2003) California. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Der große Markterfolg blieb dem Bulli mit der Campingbox freilich zunächst verwehrt. Urlaub und Müßiggang waren nämlich das Gegenteil von dem, was die Zeit verlangte. Harte Arbeit und wenig Geld charakterisierten stattdessen die frühe Phase des Wirtschaftsaufschwungs hierzulande.

Dennoch kam die Fertigung langsam in Gang und es fanden sich immer öfter Interessenten, die bereit waren, zusätzlich zum Grundpreis für einen Transporter in Höhe von knapp 6.000 Mark für das Sideboard in der Campingbox fast 600 Mark auszugeben oder 125 Mark für einen Kleiderschrank.

Für 62,50 Mark gab es den Wasch- und Rasierschrank, der an der Doppel-Flügeltür befestigt wurde.

Multivan Comfortline: fünf Generationen in über fünf Jahrzehnten. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Die erste Ausbaustufe der Campingbox von 1955 hieß "Export". Sie war erkennbar an einer Dachklappe im vorderen Teil des Daches und an einer stabilen Gepäckbrücke. Zehn Jahre lang blieb die Campingbox im Programm, wurde als Traumwagen immer traumhafter ausgestattet, schließlich sogar mit einem Gaskocher und als geradezu dekadenter Ausdruck neuen Wohlbefindens konnte eine Bord-Bar mit Plexiglashaube geordert werden. Zehn Cocktailbecher gehörten zum Lieferumfang der mobilen Mini-Bar, die fest auf einem Serviertisch stand.

1957 übernahm Volkswagen die komplette Montage des VW Campingwagens mit Westfalia-Ausstattung in eigener Regie und schon zwei Jahre später lief der tausendste Camper vom Band. Zu Beginn der 60er-Jahre stand die Tagesproduktion bereits bei zehn Campingwagen pro Tag.

California Comfortline: vier Generationen Wohn- bzw. Reisemobil. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Viele Interessenten hatten sich aufgrund der Kostensituation von der Idee verabschiedet, einen Campingbus zu besitzen, bis "Mosaik" den Markt revolutionierte - ein Möbelprogramm für Heimwerker, die sich einen gebrauchten Bulli nach eigenem Gusto ausstatten und dabei sparen konnten.

Im Heck des Bulli fand gleichzeitig eine Leistungsexplosion statt: 34 PS statt bisher 25 PS und auf Wunsch konnte auch die 1500er-Maschine mit 42 PS bestellt werden, die dem "Hotel auf Rädern" zu einer Höchstgeschwindigkeit von über 100 km/h verhalf.

California Comfortline: alles Wichtige für den flexiblen Einsatz an Bord. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Was hierzulande nur langsam an Fahrt gewann, war in den USA schon zügig unterwegs: 15.000 Campingbusse der ersten Generation wurden dort bis 1976 abgesetzt.

Aber auch in Deutschland stieg die Nachfrage. Statt zehn Einheiten pro Tag im Jahr 1960 rollten 1967 schon 70 VW Campingwagen auf die Straße.

Der Camper von Volkswagen war der Star der Szene. Kaum ein Campingexperte, der sich nicht der Herausforderung des optimalen Innenausbaus stellte. Meist waren unterschiedliche Dachvariationen äußeres Zeichen für optimale Raumgestaltung im Innern.

Multivan Comfortline 4MOTION: auf Touren auch abseits regulärer Straßen. ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Mit fortschreitender Zeit wuchs jedoch auch die Entfernung der Nachfolgemodelle zum Startmodell der Erfolgsgeschichte.

In der heutigen Ausprägung von Multivan und California wäre die Bezeichnung "Campingbox" völlig verfehlt. Behaglichkeit bis Luxus pur kennzeichnen die Spanne, die auf die beiden Komfort-Reisemobile zutrifft.

Von den knapp neun Millionen Transportern, die insgesamt hergestellt wurden, tragen immerhin gut 170.000 die Bezeichnung Multivan und vom California sind etwa 45.000 an Kunden ausgeliefert worden - inzwischen mit einer Motorleistung von maximal 150 kW beziehungsweise 204 PS.

VW-Bulli.de