VW Campingbus - Die Legende lebt
Im Januar 2012 ist das Buch "VW Campingbus - Die Legende lebt. Die schönsten Umbauten seit 1951" erschienen. Unser Experte Heiko P. Wacker hat das Werk gelesen und eine Rezension verfasst. Ein gelungenes Buch, findet unser Rezensent.
Der Hype um den Bulli führt zu seltsamen Phänomenen – und zu Missverständnissen, wie so manch einer von uns schon am eigenen Leib erfahren durfte. Denn viele Zeitgenossen reduzieren den VW-Camper einzig auf das Lebensgefühl der „Rolling Sixties“ …
Klar! Nichts ist authentischer als ein klassischer T1-Westi, um die hierzulande bekannteste Variante zu nennen. Nichts verkörpert mehr die Sehnsucht nach Freiheit, als eben solch ein Kultvehikel. Es waren aber eben nicht nur die blumenschwenkenden Hippies, die sich mit ihrer bemalten Heckschleuder in Richtung kaukasischer Bewusstseinserweiterung aufmachten. Denn auch Oma & Opa Pachulke und die Müllers von nebenan gondelten mit ihrer Kiste in die schönsten Wochen des Jahres – nur wurden die nicht beim Guru verbracht, sondern in Tirol oder bei den holländischen Tulpenzwiebeln.
Der Bulli Camper war eben für alle da.
Und genau deshalb erlebte er schon in den frühen 50er-Jahren seinen Boom. Vor dem Krieg nämlich waren handgedengelte Mobilheime oder die sündhaft teuren Wohnwagen der Frühzeit nur was für ein betuchtes Klientel, das sich denn auch leicht in Hotels einmieten konnte.
Der im März 1950 eingeführte VW-Transporter war da ein ganz anderes Kaliber. Der hatte gerade erst das Krabbeln gelernt, da begann seine zweite Karriere: Statt zum Wochenmarkt fuhr der Lastesel der Nation in die weite Welt. Nicht einmal 25 PS mussten anfangs genügen, um in die Ferne zu tuckern. Und selbst die war angesichts weiter Trümmerlandschaften kaum mehr als ein Refrain sehnsuchtsvoller Schlagertexte. Die Realität war oft bescheidener.
Wie genau die Fernweh-Karriere des Bulli begann, ist inzwischen Legende. Ein britischer Offizier soll es gewesen sein, der sich einen VW-Transporter – ab 1950 für 5.975 Mark als Kastenwagen, als Kombi und als sündig schöner Samba erhältlich – zulegte, um ihn für Urlaubsfahrten zu nutzen. Die Idee mündete 1951 in die ‚Camping Box’, einem herausnehmbaren Reisemobilsystem aus dem Hause Westfalia. Später wurden die Ausbauten immer anspruchsvoller, wobei die bekanntesten Produkte weiterhin von Westfalia kamen.
Doch auch andere Hersteller nahmen sich des Klassikers an. Zahlreiche Umbaufirmen adelten mit unterschiedlichsten Innenausstattungen den VW-Bus und machten ihn zum vielfältigsten aller Campingmobile – wie David Eccles in seinem jüngsten Buch beweist, das gerade im Heel Verlag erschien.
Natürlich konnte er nicht jede Variante zusammentragen – ganz sicherlich gab es irgendwo auf der Welt längst vergessene Hinterhofwerkstätten, die nach einem halben Dutzend Autos wieder dicht machten. Doch die wichtigsten Modelle und Umbauten aus Europa und Nordamerika finden sich im Buch – und darunter nicht wenige, bei denen selbst der eingefleischte Crack zweimal überlegen muss. Denn Devon, Dormobile oder Karman kennt jeder: Bei Oxley Coachcraft Umbauten, Poba oder Bilbo’s Camper wird’s jedoch schon dünn.
Doch David hat sie in Wort und Bild, mit Prospekten und neuen Aufnahmen in Szene gesetzt – zudem ordentlich in ihrer Funktionalität und Geschichte beschrieben, wobei sein Schwerpunkt natürlich auf den ersten drei Bulli-Generationen liegt. Teilweise kaum bekanntes Bildmaterial macht das 20-Euro-Werk auch für Insider zu einem wertvollen Handbuch, auch wenn vor allem Rechtslenker in Szene gesetzt wurden und der Informationsgehalt der Bilder wichtiger war als verträumte Weichzeichnermotive vor Sonnenuntergängen.
Übrigens kümmert sich VW erst seit der Einführung des T5 selbst um die Fernwehtalente des Bulli: Zuvor wurden stets Partner wie eben Westfalia lizensiert. Seitdem jedoch die Konkurrenz von Daimler die Regie in Rheda-Wiedenbrück führte, war die langjährige Kooperation zu Ende. Die Fans haben es bedauert, der Legende selbst hat es jedoch nicht geschadet, lädt der VW-Camper doch nach wie vor zum Schwelgen und Träumen ein.
Vielleicht sind wir doch tief im Herzen verkappte Hippies? Sogar die Pachulkes und Müllers von nebenan …?
David Eccles: „VW Campingbus – Die Legende lebt. Die schönsten Umbauten seit 1951“. Heel Verlag, aus dem Engl. übers. von R. Hinrichs, B. Stolzenberg, A. Goerz; Originaltitel: VW Camper – The Inside Story’ (Crowood Press 2005); 160 Seiten, ca. 900 farbige Abbildungen, 217 x 303 mm, kartoniert, ISBN 978-3-86852-475-8, Preis 19.99 Euro.